Zwischen Liebe, Gletscher und Gedächtnisverlust: Eric Puchners „Weisses Licht“

Buchcover des Romans Weisses Licht

Hochzeitsvorbereitungen mit Hindernissen

Die aus Los Angeles stammende Cece steckt mitten in den Vorbereitungen für ihre in einem Monat bevorstehende Hochzeit mit Charlie Margolise. Da Charlie kürzlich eine Stelle als Kardioanästhesist angenommen hat und nicht abkömmlich ist, bittet er Garrett Meek, seinen besten Freund aus Collegezeiten, sich um Cece zu kümmern. Garrett, der nach seinem Studienabbruch als Gepäckabfertiger bei einer Billigfluggesellschaft arbeitet und seinen an Lungenfibrose erkrankten Vater versorgt, soll Charlie und Cece trauen. Nach Abschluss der Hochzeitsvorbereitungen planen Cece und Garrett eine Wanderung im Glacier-Nationalpark.

Zweifel an der Liebe und Höhenangst im Nationalpark

Bereits auf der Fahrt führt Garrett mit Cece ein Gespräch über die Ehe. Seiner Meinung nach schließen sich Liebe und Ehe aus – die Ehe sei das Grab der Liebe. Kaum hat er diese Worte ausgesprochen, bereut er sie auch schon. Cece hingegen wird nachdenklich, zumal Garrett ihr auch sagt, dass sie seiner Ansicht nach gar nicht so glücklich ist, wie sie vorgibt. Während der Wanderung muss Cece sich eingestehen, die Tour unterschätzt zu haben. Als Mensch mit Höhenangst ist sie darauf angewiesen, dass Garrett ihr „seine verdammte Arschhand“ entgegenstreckt – ein Moment, den sie eine Minute lang wortwörtlich festhält.

Junggesellenabschied mit Eifersucht und Arschbomben

Zum Junggesellenabschied sieht Cece Charlie erstmals mit einer Truckermütze, die er nur in Montana trägt. Garrett trifft gemeinsam mit Charlies drei Brüdern auf alte Kumpel. Als er auf der Suche nach Charlie plötzlich in Ceces Zimmer einen ihrer BHs entdeckt, wird er von Eifersucht übermannt. Schlimmer noch: Als er Charlie schließlich findet, wird er den Gedanken nicht los, seinen Freund einfach vom Dach zu stoßen. Während die Männer nackt in einem angrenzenden See baden und sich ausgelassen mit „Arschbomben“ hineinwerfen, liegt Cece nachts wach im Zelt, das sie sich mit ihrer Freundin teilt. Am Tag der Hochzeit, für die Garrett noch immer keine Rede geschrieben hat, fehlt ein Großteil der Gäste – sie sind am Norovirus erkrankt.

Literarische Langatmigkeit statt Spannung

Wer vom Roman Weisses Licht* von Eric Puchner Spannung erwartet, wird enttäuscht. Der Plot bietet wenig Handlung, dafür ausschweifende Beschreibungen – ein literarisches Stilmittel, das hier jedoch überstrapaziert wird und streckenweise langatmig wirkt. Über viele Seiten schildert der Autor, wie sich Charlie und Garrett während ihrer Studienzeit kennenlernen, wie sie mit Elias zu einer Berghütte aufsteigen und anschließend mit Skiern abfahren oder wie Garrett im Rahmen seiner Feldforschung das GPS-Halsband eines Vielfraßes auswertet.

Kulturelle Fremdheit und fehlende Erklärungen

Da der Roman aus dem Englischen von Pociao und Roberto de Hollanda übersetzt wurde, wirken viele Begriffe für deutschsprachige Leser fremd. So sind Maßeinheiten wie Meilen ungewohnt, und kaum jemand kennt Cheetos oder Hacky Sacks – kleine Stoffkugeln zum Vorführen von Tricks. Die Liste ließe sich fortsetzen mit einem mit Zeichen versehenen Ouija-Brett, der Abkürzung LGBTQ für eine Sammelbewegung queerer Personen oder PTBS für posttraumatische Belastungsstörung – Begriffe, die leider nicht näher erklärt werden.

Gesellschaftskritik und ökologische Trauer

Immerhin wird erwähnt, dass in den USA eine einfache Online-Ordination genügt, um als Geistlicher eine Trauung vollziehen zu dürfen. Die AgeUp-App ist hierzulande vielleicht einigen bekannt, und der Mini-Cog-Test zur Abklärung einer Demenz wird wie selbstverständlich eingeführt. Laut Puchners Danksagung ließ er sich zum Tracking von Vielfraßen im Glacier-Nationalpark beraten. Im Roman bedauert er deren drohendes Aussterben ebenso wie den Rückgang der Gletscher und das Verschwinden von Skigebieten.

Zeitsprünge und narrative Brüche

Der Roman Weisses Licht* erstreckt sich über einen Zeitraum von fast fünfzig Jahren, beginnend im Jahr 2004, über die Covid-Pandemie hinweg bis zu dem Zeitpunkt, an dem Cece bereits unter Demenz leidet und ihre Tochter das vierzigste Lebensjahr überschritten hat – ohne dass das Jahr explizit genannt wird. Damit ist die Handlung in der Zukunft angesiedelt. Einige Handlungsabläufe werden nicht direkt dargestellt, sondern dem Leser retrospektiv präsentiert. Nach gut einem Drittel des Romans erfolgt ein überraschender Bruch, der erst im letzten Kapitel aufgearbeitet wird.

Fazit: Zu viele Baustellen, zu wenig Wirkung

Insgesamt ist Weisses Licht* auf zu vielen Nebenbaustellen unterwegs und kann literarisch nur bedingt überzeugen. Die emotionale Tiefe einzelner Szenen wird durch die Vielzahl an Themen und Zeitsprüngen verwässert, und die fehlende Spannung macht es schwer, sich über die gesamte Länge hinweg mit den Figuren zu identifizieren.

Weisses Licht von Eric Puchner

Buchcover des Romans Weisses Licht
Übersetzung von Pociao und Roberto de Hollanda
Carl Hanser Verlag 2025
Hardcover mit Schutzumschlag
528 Seiten
ISBN 978-3-446-28454-8

Bildquelle: Carl Hanser Verlag

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