Ich und meine Mutter von Vivian Gornick

Ich und meine MutterIn ihrem autobiografischen Roman „Ich und meine Mutter“ schreibt Vivian Gornick von einigen Stationen ihres Lebens. Aufgewachsen ist sie in dem New Yorker Stadtteil Bronx, wohin es einst ihre aus Russland stammende Großmutter verschlagen hat. Mit dreizehn Jahren verlor sie ihren Vater und lebte fortan nur noch mit ihrem neun Jahre älteren Bruder und ihrer Mutter zusammen, der die Liebe ihres Mannes fehlte und sie depressiv werden ließ. Bis zu ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr wohnte die als Journalistin arbeitende Vivian Gornick in einem Mietshaus, mit dem sie zahlreiche Erinnerungen verbindet.

Die Handlung wird von Gesprächen der fünfundvierzigjährigen Autorin mit ihrer siebenundsiebzigjährigen Mutter dominiert, die beide durch Manhatten führen. Wechselweise erinnern sie sich an die schwere Zeit des Kriegs und der Inflation, an die ehemalige Wohnung und die Nachbarn, insbesondere die früh zur Witwe gewordene Nettie. In Rückblicken, die ganz unvermittelt das aktuelle Geschehen, nämlich die scheinbar endlos langen Gewaltmärsche mit der Mutter unterbrechen, erzählt Vivian Gornick vom Tod des Vaters, seiner Beerdigung und wie die Familie ohne ihn weiterlebte. Sie erinnert sich an ihre Freundin Marilyn, den Beginn und das Ende ihrer Ehe und auch an ihre Affären, die sie enttäuscht zurückließen.

Während ihrer Ausbildung hat die aus dem Ghetto stammende Vivian Gornick ihre Liebe zur Literatur entdeckt, die quasi die Wurzeln für ihr zukünftiges Leben geschlagen hat. Erst im Studium, so schreibt sie, hat sie gelernt zu denken, was einen Spalt zwischen Mutter und Tochter getrieben hat und die Beziehung schlimmstenfalls zugrunde richten könnte. Sie ist der Meinung, dass die Sichtweise der Mutter, früher wäre alles besser gewesen, verklärt ist und sieht in deren Depressionen eine „zerstörerische“ Kraft. Ihr eigenes Leben empfindet sie als ein Elend und schon seit ihrer Kindheit hat sie sich minderwertig gefühlt.

Der autobiografische Roman „Ich und meine Mutter“ ist, wie der Titel vermuten lässt, eine Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Beide Frauen kommen zu der verbitterten Erkenntnis, dass ihr Leben einfach nur vergangen ist, sie es aber nicht gelebt haben. Vivian Gornick wagt eine Selbstfindung auf hohem literarischen Niveau und lediglich ihrer unglaublichen schriftstellerischen Begabung ist es zu verdanken, dass sich der Leser bei den bildhaften Umschreibungen nicht langweilt und Interesse an dem Fortgang des Plots hat.

Ich und meine Mutter von Vivian Gornick

Ich und meine Mutter
Übersetzung von Pociao
Penguin Verlag 2019
Hardcover mit Schutzumschlag
224 Seiten
ISBN 978-3-328-60030-5

Bildquelle: Penguin Verlag
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