Nach sechzehn Jahren kehrt Matteo aus dem kalifornischen Exil nach Rom zu seiner zweiten Ehefrau Frederica Zevi zurück, nachdem sein Gläubiger verstorben ist und Matteo nichts mehr zu befürchten hat. In Frederica hatte er sich vor fünfundzwanzig Jahren beim Skifahren Hals über Kopf verliebt und von seiner ersten Ehefrau scheiden lassen, obwohl er mit ihr einen Sohn hat. Nunmehr sieht Frederica seiner Rückkehr aus Los Angeles mit gemischten Gefühlen entgegen, denn immerhin gibt es im Exil auch noch Ehefrau Nummer drei und vier.
In Rom wird Matteo lediglich von seinem alten Freund Tati empfangen, aber weder von seinem Sohn Georgio, noch von seiner aus zweiter Ehe stammenden Tochter Martina. Georgio will mit seinem Vater nichts mehr zu tun haben und ist für ihn nicht einmal mehr zu sprechen. Er ist mittlerweile stolzer Restaurantbesitzer und erwartet mit seiner Freundin Sara das erste Kind. Martina ist mit Lorenzo Mogherini verheiratet, dessen Familienmitglieder ein mondänes Leben führen. Die Familie, in die ihr Sohn eingeheiratet hat, halten die Mogherinis für „verrückt“. Wie Frederica und Georgio fragt sich auch Martina, wie lange Matteo in Rom bleiben will. Doch das plötzliche Auftauchen des Vaters allein wirft sie nicht aus der Bahn. Es ist vielmehr die Ankunft von Lorenzos jüngerer Schwester Benedetta, kurz Benny genannt, die zur Silberhochzeit ihrer Eltern anreist. In Martina werden Erinnerungen an einen Kuss wach…
Alessandro Piperno bedient sich in seinem Roman Wo die Geschichte endet* einer gewählten Ausdrucksweise und spricht beispielsweise von „distinguierten“ und „konzilianten“ Personen. Zudem findet er für die simpelsten Erklärungen äußerst geniale Umschreibungen: Eine sich anbahnende Missstimmung wird bei ihm zu einem „Menuett der liebevollen Proteste“, ein Mann hat „in Liebesdingen ein stattliches Curriculum vorzuweisen“ oder ein „um sich greifender Krieg gegen die Kohlenhydrate“ steht für den Erhalt der schlanken Linie. Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die herrschende Klasse in Rom geht, der Stadt, in der er lebt. So schreibt er von einem „korrupten und dekadenten Land“, davon, dass „alle unter einer Decke stecken“ und klagt die Heuchelei derer an, die sich „zu Hause so fromm geben und dann draußen herumhuren wie die Affen“.
Beide Kinder von Matteo haben jeweils auf ihre Weise mit ihrem Leben zu kämpfen: Georgio lebt nur noch für seine Arbeit und vernachlässigt seine Frau Sara. Den gut gemeinten Ratschlag, missgünstige Menschen könnten ihm den Aufstieg neiden, nimmt er nicht ernst genug. Die Ehe von Lorenzo und Martina, die ihren Kummer im Alkohol ertränkt, droht zu zerbrechen, und Frederica fühlt sich wie ein „Ball in einem Flipper“. Falsche Deutungen führen zu Missverständnissen, die wiederum neue erzeugen. Alessandro Piperno hat sehr genau die menschlichen Verhaltensweisen studiert, weshalb der Roman Wo die Geschichte endet* auch als psychologische Charakterstudie bezeichnet werden kann. Um die Entstehung von Dissonanzen verständlich zu machen, hat er häufig weiter ausholen müssen. Dass die Familien auf eine Krise zusteuern, ist unübersehbar, aber erst eine völlig unerwartete, große Katastrophe verändert alles. Insofern ist die Botschaft des anspruchsvollen und eindringlichen Romans zu hinterfragen, ob das Leben so, wie es sich darstellt, nicht doch gut ist. Denn viele Menschen besinnen sich erst dann auf das Wesentliche, wenn ein Unglück geschehen ist. Der Roman ist ein geniales literarisches Werk eines begnadeten Autors!
Wo die Geschichte endet von Alessandro Piperno
Übersetzung von Barbara Kleiner
Piper Verlag 2019
Hardcover mit Schutzumschlag
304 Seiten
ISBN 978-3-492-05868-1