Drei Frauen, drei Schicksale – ein Roman, der nachhallt

Buchcover des Romans Aabidah, Emma, Iryna

Aabidah: Zwischen Bomben und Flucht aus Aleppo

Die schicksalhaften Lebenswege der drei Frauen Aabidah, Emma, Iryna* zeichnet Alma Ramsden in ihrem Roman nach. In ihrer Vorbemerkung betont sie, dass sie deren Geschichten sorgfältig recherchiert hat.

Die in Syrien lebende Aabidah heiratet mit achtzehn Jahren den angehenden Zahnmediziner Amir. Unter Baschar al-Assad nehmen willkürliche Verhaftungen zu, zwei ihrer Brüder werden festgenommen, und Spitzel finden sich sogar innerhalb der Familien. Nachdem im Jahr 2013 Bomben die Universität treffen, muss Aabidah ihr Studium der Ingenieurwissenschaften unterbrechen. Hunger und Kälte sind ständige Begleiter der jungen Familie mit inzwischen drei Kindern. Erst nach der Detonation ihres Wohnhauses fassen die Eheleute den Entschluss, aus Aleppo zu fliehen – zumal auch Amirs Praxis zerstört wurde.

Emma: Eine Hebamme zwischen Pflicht und Schuld

Die in Zürich lebende Emma, verheiratet mit Tim und Mutter zweier Kinder, erlebt während eines Tagesausflugs mit dem Zug eine erschütternde Szene: Eine Frau in den Wehen wird mit ihrer Familie von einer Schweizer Grenzpatrouille zurück nach Italien abgeschoben. Obwohl Emma als Hebamme eindringlich auf die medizinische Notlage hinweist, bleiben die Beamten uneinsichtig.

Später wird die wenig selbstbewusste und unter Essstörungen leidende Emma als Zeugin vernommen, da die aus Syrien stammende Aabidah, der sie nicht helfen konnte, eine Totgeburt erlitt. Die Presse verdreht Tatsachen und stellt Emma in einem schlechten Licht dar. Erst eine Gegendarstellung rehabilitiert sie und ermöglicht den Kontakt zu der inzwischen in der Schweiz asylsuchenden Familie.

Iryna: Gewalt, Not und der Weg in die Leihmutterschaft

Iryna entkommt ihrem gewalttätigen Elternhaus in einer gehobenen Wohnsiedlung in Kiew, nur um später die Schläge ihres Ehemanns Yegor ertragen zu müssen. Als freischaffende Grafikerin kann sie ihre beiden Töchter nicht ernähren, da ihr geschiedener Mann die Zahlungen verweigert und staatliche Hilfe ausbleibt.

Auf Vorschlag ihrer Freundin Anastasya stimmt sie aus finanzieller Not einer Leihmutterschaft zu und trägt für ein Schweizer Paar ein Kind aus. Doch der Krieg in der Ukraine zwingt sie zur Flucht. Sie muss sich vor der skrupellosen Vasileva von der Agentur verstecken, damit diese sie nicht aufspürt. Als in der Schweiz die Wehen einsetzen, darf Iryna das Kind auf keinen Fall in einem Spital zur Welt bringen.

Wechselnde Perspektiven und bedrückende Realitäten

Alma Ramsden erzählt im Wechsel von den Schicksalen ihrer drei Protagonistinnen. Aabidah berichtet in Gesprächen mit ihrer Therapeutin vom Alltag in Aleppo, von den Folgen des Krieges und der Flucht sowie von den Belastungen ihrer Ehe mit Amir. Die Familie erfährt von Gräueltaten des Islamischen Staates und muss mit ihren Kindern in griechischen Lagern ausharren. Nur knapp entgehen sie dem Tod, als ihr Schlauchboot sinkt – wer nicht schwimmen konnte, war verloren.

Auch Irynas Geschichte wird mit der politischen Entwicklung in der Ukraine verknüpft. Ramsden schildert die Demonstrationen im November 2013 auf dem Majdan, die Nebenwirkungen einer Hormonbehandlung sowie die Gespräche mit ihrer Ärztin. Sie macht deutlich, dass viele von ukrainischen Leihmüttern ausgetragene Babys wegen anhaltender Bombardierungen wochenlang in Bunkern auf ihre Übergabe an die Wunscheltern warten mussten.

Gericht, Schuld und moralische Konflikte

Besonders eindringlich ist die Vernehmung von Emma vor dem Militärgericht und die spätere Gerichtsverhandlung, die auch aus Aabidahs Perspektive erzählt wird. Emma steht vor einem inneren Kampf: Soll sie der Bitte einer Gebärenden und dem Flehen ihrer Freundin nachkommen, obwohl sie sich damit strafbar machen würde? Ramsden weist zudem darauf hin, dass Hebammen in der Schweiz bei einer Beckenendlage keine Geburt durchführen dürfen – ein Detail, das die Dramatik verstärkt.

Verlust, Heimat und die Frage nach Menschlichkeit

In Aabidah, Emma, Iryna* führt Alma Ramsden die drei Frauen schließlich in der Schweiz zusammen. Sie macht den Verlust von Heimat und Freunden deutlich und zeigt die Härte des Flüchtlingsschicksals. Während sich Touristen in Griechenland über verspätete Flüge sorgen, erkennt Emma im Urlaub, wie gering solche Probleme sind im Vergleich zu den Tausenden, die in den dortigen Gewässern ertrinken.

Der Roman entfaltet von den ersten Seiten an eine Sogwirkung, weckt Neugier auf den weiteren Verlauf und hinterlässt einen nachdenklichen Eindruck, der lange nachwirkt.

Aabidah, Emma, Iryna von Alma Ramsden

Buchcover des Romans Aabidah, Emma, Iryna
Neptun Verlag 2025
Klappenbroschur
260 Seiten
ISBN 978-3-85820-410-3

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Bildquelle: Neptun Verlag

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