Nach einem Autounfall ist der nunmehr dreizehnjährige Carl inkomplett querschnittgelähmt. Sein Vater, der an dem Unfall keine Schuld trägt, hat die Familie verlassen, da er den Anblick seines Sohnes im Rollstuhl nicht ertragen konnte. Für die Ferien hat seine Mutter ein Ferienhaus an der Ostsee gebucht, obwohl Carl viel lieber in ein Rollstuhl-Skate-Camp nach Bayern gefahren wäre. Bei der Ankunft entpuppt sich das angeblich behindertengerecht ausgebaute Haus als eine Bruchbude mit geschmackloser Einrichtung. Um die vier Stufen zur Veranda mit einem Treppenlift zu überwinden, benötigt dieser eine Ewigkeit. Da das im oberen Stockwerk gelegene Schlafzimmer für Carl unerreichbar ist, muss er nachts mit dem Sofa im Wohnzimmer Vorlieb nehmen. Anstelle der fünf Gehminuten zum Strand kommt Carl erst nach einer halben Stunde dort an und muss dort zu allem Überfluss in einen hässlichen Strandrollstuhl wechseln. Nur seiner Mutter zur Liebe erträgt er das alles, da er weiß, wie wichtig ihr der Urlaub ist.
Etwas Abwechslung in den tristen Ferienalltag bringt das gleichaltrige Mädchen Fee Davaria, die in der Jugendherberge untergebracht ist und mit der sich Carl täglich trifft. Er hat ihr auch von der Enttäuschung erzählt, dass sein Vater die Familie nicht an der Ostsee besuchen wird, woraufhin sie den Einfall hat, Carl auf dem Weg zur Arbeitsstelle seines Vaters in Berlin zu begleiten. Dazu „leihen“ sich die beiden Ausreißer den mit drei großen Rädern versehenen Rennstuhl des ebenfalls gehbehinderten Manuel Bäcker aus, der zeitgleich an der Ostsee für einen Marathon trainiert und der Carls großes Vorbild ist. Die pfiffige Fee, die ein ganz eigenes Ziel verfolgt, knackt problemlos die Schlösser der vor dem Sporthotel parkenden Rollstühle und schon beginnt für beide eine abenteuerliche Fahrt.
Rüdiger Bertram hat mit seinem sehr empfehlenswerten Jugendroman Nur 300 km* ein wichtiges Thema aufgegriffen. Indem sein junger Protagonist sein Leben mit einer inkompletten Querschnittlähmung meistern muss, hat er zum einen erklärt, was darunter zu verstehen ist und zum anderen anhand unzähliger Alltagssituationen die Unwägbarkeiten aufgezeigt, mit denen ein im Rollstuhl lebender Mensch konfrontiert wird. Ganz nebenbei vermittelt der Autor Wissenswertes zu den unterschiedlichsten Themen, denn Carl und Fee kommen in ihren Gesprächen auf dem abenteuerlichen Weg nach Berlin vom Höcksken aufs Stöcksken, was in erster Linie dem quirligen und mit allen Wassern gewaschenen Mädchen zu verdanken ist. Sie will immer die Erste und Beste sein, nimmt gerne andere auf den Arm, ist mit reichlich Fantasie ausgestattet und bemitleidet Carl überhaupt nicht, was für ihn eine völlig neue Erfahrung ist. Unterwegs dreht Fee Videos für Toktik, womit unzweifelhaft das Portal TikTok gemeint ist.
Carl, der von seinem Leben und Erfahrungen in dem Jugendbuch Nur 300 km* von Rüdiger Bertram in der Ich-Form berichtet, äußert sich vornehmlich auf amüsant sarkastische Weise und mit den entweder von ihm, oder von Fee geäußerten Sprüchen ist ein Schmunzeln und Grinsen beim Leser vorprogrammiert. Die köstlichen Dialoge in einer der heutigen Jugend angepassten Sprache sind einfach „safe“ und von Anfang an ist der Leser am Fortgang der Handlung interessiert, wobei es für diesen rasanten Plot ab einem Alter von zwölf Jahren kaum eine Altersgrenze nach oben gibt!