Das einzige Kind von Hera Lind

Roman nach einer wahren Geschichte!

Das einzige KindHera Lind zeichnet in ihrem Roman „Das einzige Kind“ die ersten Lebensjahre von Djoko nach, dem späteren Franz Peters-Engl, der ihr dreiundachtzig Jahre danach erzählt, wie er im Frühling 1939 als kleiner Knirps von drei/vier Jahren bei seiner Mame und seinem Tate im ehemaligen Jugoslawien gelebt hat, dem heutigen Landesteil Bosnien. Wenn sein Tate im Wald war, ängstigte er sich mit seiner Mame in der Hütte vor den hungrigen Wölfen. Im Herbst 1940 suchte die Familie vor dem von Ante Paveli gegründeten Geheimbund Ustascha Schutz bei Tates Eltern in einer Siedlung. Noch wusste der Junge nicht, dass er seine Nachbarn nie wiedersehen wird. Er musste mitansehen, wie seinem Freund das Gesicht zerschossen wurde und flüchtete des nachts in den Wald, als auch diese Siedlung überfallen wurde.

Nur wenigen gelang die Flucht. Djoko und seine Mame kamen bei ihrem Vater in der Stadt Sokolice unter. Im Oktober 1940 teilte man seiner Mutter in einem Brief mit, dass ihr Ehemann Stipan gefallen ist, der wochenlang mit den Partisanen in den Wäldern unterwegs war. Kurz nach diesem Schicksalsschlag wurde das Wohnhaus von Ustascha-Einheiten mit Granatwerfern beschossen, wobei Djokos Mutter und der Großvater umkamen. Er selbst wurde schwer verletzt und fiel – wahnsinnig vor Schmerzen – in Ohnmacht. Als Djoko aufwachte, wurde er von seinen Feinden in einem Stall entdeckt. Angesichts des hoch fiebernden Jungen und seiner blutdurchtränkten Verbände ließ man ihn mit einer alten Frau und den Worten „der Kleine ist eh hin“ am Leben. Doch alle übrigen Bewohner von Sokolice wurden grausam ermordet.

Djoko wurde in seinem weiteren Leben von einer helfenden Hand in die nächste weitergereicht und musste sich immer wieder von einer vertrauten und liebgewordenen Person verabschieden. Seine gesamte Kindheit über kannte der kleine Junge nur Hunger, Kälte, Schmerzen, Überfälle und die an seinen Mitmenschen verübten Gräueltaten. Oftmals wäre er lieber selbst gestorben, weil er zu geschwächt war und nicht mehr an ein Leben in Frieden geglaubt hat. Eine Operation seiner schweren Verletzungen musste er ohne Narkose überstehen, sah die auf der Flucht schlapp machenden und sich in ihr Schicksal ergebenden Menschen und jene, die von einer Tretmine zerfetzt wurden. Ärzte mussten Bettlägerige im Krankenhaus zurücklassen, die so unweigerlich dem Feind in die Hände fielen. Liebevoll kümmerte sich in der historischen Region Banat ein zur SS gehörender Soldat um den kleinen Jungen. Dort erfuhr er, dass die Partisanen, zu denen sein Vater einst gehörte und die für ihn immer die Guten waren, plötzlich die mordenden Bösen sein sollten.

Hera Lind lässt ihren Protagonisten Djoko seine Erlebnisse im Präsens und in der Ich-Form berichten. Diese Entscheidung, das Geschehen aus der naiven kindlichen Perspektive zu schildern, ist ein gelungener Schachzug der Autorin, der dem Leser an einigen Stellen ein Schmunzeln abverlangt. Für Zartbesaitete ist diese Geschichte, die Franz Peters-Engl bereits im Eigenverlag herausgegeben und an der sie inhaltlich bis auf gebündelte und gestraffte Nebenfiguren oder Nebenschauplätze „fast gar nichts verändert“ hat, nicht geeignet. Die Autorin weiß, wie sie ihre Leser bei der Stange hält und gönnt ihnen zumindest in der ersten Hälfte keine Verschnaufpause. Es dürfte kaum etwas Vergleichbares in gedruckter Form geben, das ein Einzelschicksal in einer so spannenden und ergreifenden Form schildert wie der Roman „Das einzige Kind“.

Das einzige Kind von Hera Lind

Das einzige Kind
Knaur Verlag 2023
Klappenbroschur
384 Seiten
ISBN 978-3-426-52836-5

Bildquelle: Knaur Verlag

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