Zwischen Parkbank und Perspektivwechsel – Mac Conins bissiger Roman über Hoffnung am Rand der Gesellschaft

Buchcover von Nirgendwann - Plan B war auch Mist

Perspektiven einer gescheiterten Flucht

Johanna, die von ihren Freunden nur Jo genannt wird, kann trotz eines Jobs im Café Moloko die Miete nicht aufbringen. Eine Rückkehr zu ihren Eltern kommt für sie nicht infrage – ihr Vater hatte sie wiederholt vergewaltigt, und von ihrer alkoholabhängigen Mutter war keine Hilfe zu erwarten. Naiv glaubte sie, in Köln eine solide Basis für ihre zwölfjährige Schwester Hella und ihren sechzehnjährigen Bruder Pete zu schaffen und sie bald zu sich holen zu können. Um ihren Hunger zu stillen, bediente sie sich gelegentlich an den Vorräten im Café, wenn ihr Chef Freddi nicht hinsah. Nun hat ihr auch noch ihr Vermieter Jörg Triebel „dieses kleine, beschissene, teure Apartment“ gekündigt.

Eskalation und ein unerwartetes Rettungsangebot

Als Freddi übergriffig wird und Jo sich zur Wehr setzt – mit möglicherweise dauerhaften Folgen für seine Familienplanung – demoliert sie anschließend seinen Laden. Trost findet sie bei der hilfsbereiten Amira, einer tunesischen Bekannten. Unverhofft bietet der Kunde Carlo Epp vom Moloko seine Unterstützung an, nachdem Jo eine Nacht auf einer unbequemen Parkbank verbringen musste. Beim gemeinsamen Frühstück verabschiedet er sich ins Büro, während Jo in seiner Wohnung bleiben darf. Trotz leerer Vorratskammer zaubert sie ein köstliches Gericht, dessen Duft auch Herrn Hänsel erreicht – ein Witwer, der seit vierzig Jahren im Viertel lebt. Er schmiedet spontan einen Plan.

Sprachvielfalt und Perspektivenwechsel

Mac Conin erzählt seinen Roman teils im Erzählstil, teils aus wechselnden Ich-Perspektiven. Ein besonderer literarischer Kniff: Carlos Kater kommentiert das Geschehen und hält Jo für einen Dosenöffner. Auch das „Büdchen“ von Sami, in dem Herr Hänsel regelmäßig Zeitungen kauft, dient als Sprachrohr für den gesellschaftlichen Wandel. Die Unterschiede zwischen Leben in der Großstadt und im Dorf treten hervor: Früher kannte man seine Nachbarn und kümmerte sich umeinander – heute dominiert die „Kultur der Anonymität“. Treffpunkte wie Buden verlieren ihre soziale Funktion; Buchläden und Sportgeschäfte weichen Dönerbuden und obskuren Restaurants.

Gesellschaftskritik und Sprachbewusstsein

Die sprachlichen Unterschiede zwischen den Generationen stellt der Autor überzeugend dar. Jo spricht in derbem Jargon („Wampe vollhauen“, „Wichser in die Eier treten“), während Herr Hänsel sich gewählt und kultiviert ausdrückt („adäquat“, „formidabel“). Seine Ansprache an Jo: „junge Dame“. Zudem kritisiert Conin die millionenteure Opernrenovierung in Köln und fragt, wer wirklich von dieser profitiert – sicher nicht die breite Bevölkerung. Die große Mehrheit hätte sich wohl anders entschieden.

Spannung bis zum Schluss

Dank der Hilfe von Carlo und Herrn Hänsel kann Jo zunächst aufatmen, doch die Lage spitzt sich nach einem Anruf von Pete dramatisch zu. Ihr cholerischer Vater taucht erneut auf, und auch Freddi scheint nicht bereit, Jo kampflos ziehen zu lassen. Nirgendwann – Plan B war auch Mist* überzeugt mit subtiler Tiefe, pointierten Dialogen und einer gut dosierten Mischung aus Tragik und Humor. Der Leser darf sich auf eine versprochene Fortsetzung freuen.

Nirgendwann – Plan B war auch Mist von Mac Conin

Buchcover von Nirgendwann - Plan B war auch Mist
Kontrabande Verlag 2025
Taschenbuch
403 Seiten
ISBN 978-3-911831-18-5

Bei Amazon kaufen Gebraucht bei medimops
Bildquelle: Kontrabande Verlag

Teile diesen Beitrag