Wirtschaftsthriller mit realem Hintergrund: Claudio Canteles „Im Visier der Heuschrecken“

Buchcover des Thrillers Im Visier der Heuschrecken

Ein bedrohliches Szenario: Staatsbankrott in Lettland

Droht ein Staatsbankrott, sind drastische Maßnahmen unumgänglich – ein umfassender Logistikplan muss greifen. So schildert es Claudio Cantele in seinem packenden Wirtschaftsthriller Im Visier der Heuschrecken* am Beispiel Lettlands: Ausstehende Zahlungen an ausländische Energieversorger führen zur Rationierung von Benzin. Polizei und Feuerwehr genießen Vorrang, wodurch Berufspendler zunehmend Schwierigkeiten haben, zur Arbeit zu gelangen. Für medizinisches Personal werden Kleinbusse bereitgestellt, während Strom nur noch stundenweise zur Verfügung steht – inklusive Ausfällen im Telefonnetz. Auch Beamtengehälter bleiben aus, Unmut macht sich breit, das öffentliche Leben bricht zusammen.

Die Mission des Flavio Contarini: Ein gestohlener Koffer mit explosivem Inhalt

Im Zentrum der Handlung steht der ehemalige Bankier Flavio Contarini. Auf Geheiß von Cavaliere Santini reist er nach Wien, um eine wertvolle Kassette mit Miniaturmalereien aufzuspüren, für die Santini eine hohe Kaution hinterlegt hat. Was wie ein einfacher Auftrag beginnt, entpuppt sich bald als gefährliche Verschwörung.

Durch eine folgenschwere Verwechslung gelangt Franziska von Zinober – mithilfe von Mittelsmännern und des Anwalts Dr. Trauffenstein – in den Besitz der Kassette. In einem vertauschten Aktenkoffer befand sich zudem ein geheimes Dossier. Ein anonymer Anrufer fordert bereits Lösegeld für die Rückgabe. Dr. Trauffenstein bittet Flavio um Unterstützung, denn sollten die brisanten Unterlagen publik werden, droht dem lettischen Staat der wirtschaftliche Kollaps.

Internationale Intrigen und spekulative Machenschaften

Flavio Contarini nimmt die Fährte auf und reist zu einem geheimen Treffen einer internationalen Investorengruppe. Dort wird deutlich, wie fingierte Zeitungsartikel und gezielte Finanzspekulationen ganze Volkswirtschaften ins Wanken bringen können. Vor Ort überrascht ihn die Anwesenheit einer ihm bekannten Person – ein weiteres Puzzlestück in einem Spiel um Macht, Einfluss und Profit. Unterstützt wird er von seinem alten Freund, dem Journalisten Luca Montolivo, und nimmt schließlich Kontakt zum lettischen Finanzminister auf.

Stil und Inhalt: Sachlich, spannend – mit gesellschaftlicher Relevanz

Claudio Cantele gelingt es, den Leser bereits durch eine einfache Identitätsverwechslung in den Bann zu ziehen. Seine Erzählweise ist schnörkellos, geprägt von sachlicher Präzision. Als ehemaliger Sachverständiger für Wertpapiere und Vermögensverwaltung vor Gericht vermittelt er die Mechanismen der Finanzmärkte kompetent und verständlich – auch für Leser ohne tiefgreifende Vorkenntnisse. Spekulationen gegen Staatsanleihen, Leerverkäufe und deren Folgen erklärt Cantele plausibel und spannend zugleich.

Mit stetigem Ortswechsel – zwischen Wien, Riga, der Insel Mainau und Padua – sowie einem dynamischen Erzähltempo lässt der Roman keine Langeweile aufkommen. Wie bereits in seinen vorherigen Thrillern Das dunkle Geld und Das schnelle Geld überzeugt Ermittler Flavio Contarini durch Weitsicht und diplomatisches Geschick.

Fazit: Fiktion mit realem Einschlag

Ob sich in der Realität ein Finanzminister tatsächlich ohne Sicherheitsvorkehrung auf ein Treffen mit einem Unbekannten einlassen würde, bleibt fraglich. Doch genau diese Mischung aus spekulativer Fiktion und ökonomischer Realität macht Canteles Werk so fesselnd. Im Visier der Heuschrecken* ist ein brisanter, klug konstruierter Wirtschaftsthriller – nicht nur für Finanzexperten ein Gewinn.

Im Visier der Heuschrecken von Claudio Cantele

Buchcover des Thrillers Im Visier der Heuschrecken
Styria Verlag 2014
Broschur
192 Seiten
ISBN 978-3-222-13444-9

Bildquelle: Styria Verlag

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