Die Privatermittlerin Margareta will mit ihrem Lebensgefährten Thomas Scheffel, 1. Hauptkommissar in Buer, sowie ihrer Mutter Waltraud den bevorstehenden Heiligabend verbringen. Als ihre Mutter einfach wegbleibt, ist Margareta darüber nicht einmal böse. Erst am nächsten Tag, als Waltraud nicht zu erreichen ist, macht sie sich Sorgen und fährt entschlossen zu ihr. Dort sieht sich Margareta einem Chaos gegenüber, und was noch schlimmer ist: Anni, die beste Freundin ihrer Mutter, liegt mit blutverschmiertem Kopf im Bett. Umgehend benachrichtigt Margareta ihren Lebensgefährten Thomas und steckt geistesgegenwärtig Waltrauds Notizbuch ein, bevor es die Polizei in die Hände bekommt.
Als Privatermittlerin will Margareta natürlich die Nase vorn haben und kramt aus dem Altpapier ein Buch über die Raunächte, die zwischen dem 25. Dezember und 6. Januar als magische Zeit gelten. Den Schamanen Hemavati, der auf seiner Webseite den Namen Norbert Schauerte trägt und den ihre Mutter erst kürzlich kennengelernt hat, verdächtigt sie als ersten, weil Waltraud ihn laut des Notizbuches am Nachmittag des Heiligabends erwartet hat. Aber auch den Nachbarn Michael Patzke, der sich öfter von ihrer Mutter Geld geliehen hat, wird sie befragen müssen. Da Margareta unbedingt noch einmal in die Wohnung ihrer Mutter will, um wichtige Unterlagen zu holen, zeigt sie sich überrascht, dass das Polizeisiegel schon von jemand aufgebrochen worden ist.
Unterdessen erwacht Waltraud mit der Erinnerung, dass der Schamane am Heiligabend bei ihr war, in einem Kellerloch. Ununterbrochen streitet er mit seiner Ehefrau Jana und gesteht ihr, es auf die Auszahlung der Lebensversicherung von Waltraud abgesehen zu haben. Sein Kollege hätte Anni, mit der niemand gerechnet hat, niedergeschlagen, und dass diese nun im Koma liegt, war nicht vorhersehbar. Dass sich für die Entführte plötzlich das Blatt wendet, ahnt Margareta nicht, die auf dem Weg nach Arnsberg zu einem von Norbert Schauerte geleiteten Kurs ist: Sie traut ihren Augen nicht, als sie ihre Mutter unverhofft entdeckt. Doch bevor sie zu ihr aufschließen kann, wird diese in ein Auto gezerrt und verschwindet erneut.
Der mit jeder Menge Unwägbarkeiten ausgestatte Weihnachtskrimi aus dem Ruhrpott Stille Nacht, Schicht im Schacht* ist neben den Orten Bad Fredeburg und Arnsberg im Sauerland in Städten des Ruhrgebietes wie Gelsenkirchen und den Stadtteilen Buer, Horst und Erle angesiedelt, die Heimat von Margit Kruse. Auch in diesem Plot ist sie ihrem Schreibstil treu geblieben, so dass sich bereits auf den ersten Seiten Wörter wie Lauscher, Schrapnelle oder Kokolores finden. Einem Leser, der zum ersten Mal ein Buch von ihr liest, ist damit von Anfang an klar, dass die Wortwahl entscheidend für das Lesevergnügen ist. Adventliche Stimmung in Form von kitschigem Weihnachtsrummel sucht der Leser hier vergeblich, eher erklingt aus dem Radio „Weihnachtsgedusel“.
Was die Protagonisten anbelangt, sind diese treuen Lesern von Margit Kruse bekannt: Denn schon in ihrem Roman Eisaugen war Margareta Sommerfeld ihre Protagonistin, damals allerdings noch als Verkäuferin bei Hertie, die sich erst langsam zur Privatermittlerin gemausert hat.Was ihren derzeitigen Lebensgefährten Thomas Scheffel anbelangt, ist sie hin und hergerissen und schließt nicht aus, ihn im neuen Jahr vor die Tür zu setzen, während er darauf hofft, Waltraud eines Tages als Schwiegermutter zu haben, und das, obwohl Margareta ihm den letzten Nerv raubt, da sie sich in alles einmischt. Eine für die Autorin typisch erdachte Charaktereigenschaft trifft auf die Tochter von Anni zu, die im Bergmannsheil liegt: Mareike nimmt widerspruchslos das ungebührliche Benehmen ihres Ehemannes Siggi Bienert hin, der schon als Kind andere gequält hat und dem sie sich in jeder Hinsicht unterordnet.
Von Margit Kruse ist bekannt, dass sie die in ihren Romanen genannten Orte stets selbst aufgesucht hat und auch weiß, welche Gerichte in den Restaurants zu empfehlen sind. So kann auch davon ausgegangen werden, dass sich die Autorin im erwähnten Dorint Hotel in Arnsberg zumindest für ein realistisches Bild umgeschaut hat. Bedauerlicherweise lässt ihre Protagonistin Margareta in diesem turbulenten Weihnachtskrimi Stille Nacht, Schicht im Schacht* zum letzten Mal bei klirrender Kälte im Wald eine Bombe platzen, da es leider ihr letzter Auftritt ist. Die von der Rezensentin sehr geschätzte Margit Kruse verstarb am 31. Juli diesen Jahres und hinterlässt damit eine schmerzhafte Lücke im Genre Krimi mit trockenem Humor.
Stille Nacht, Schicht im Schacht von Margit Kruse
Gmeiner Verlag 2024
Taschenbuch
288 Seiten
ISBN 978-3-8392-0734-5