Grace Winters, die ehemalige Mathematiklehrerin von Maurice, antwortet in dem Roman Die Unmöglichkeit des Lebens* auf seinen Brief mit der Geschichte ihres Lebens: Seit dem Tod ihres Ehemannes und Sohnes hat sie nur noch ein langweiliges Leben geführt und jedem Spaß entsagt. Doch dann erreicht sie ein Brief einer Anwaltskanzlei mit dem Inhalt, dass ihre einstige Schulkollegin Christina ihr eine Immobilie auf Ibiza vermacht hat. Obwohl sie nie auf diese irgendwie „anrüchige“ Insel wollte, ist sie dennoch neugierig und bucht einen Flug.
Zu Graces Erstaunen haben viele Bewohner bereits mit ihrem Erscheinen gerechnet. Sie erfährt, dass Christina ihren Tod vorhergesagt und dass sie mit Lieke eine Tochter hat, die als Djane jedes Jahr im Club Amnesia Platten auflegt. Bekannt ist, dass Christina einen mitternächtlichen Tauchgang gebucht hat, von dem sie nie zurückgekehrt ist. Beim Blick auf die Website der Tauchschule entdeckt Grace inmitten der Seegraswiese jene Halskette, die sie Christina vor langer Zeit geschenkt hat. Sie sucht Alberto Ribas, den Besitzer der Tauchschule auf, der ihr weiß machen will, Christina hätte die Gabe besessen, in die Zukunft zu blicken. Wenn Grace erfahren will, was passiert ist, was nicht mit Worten zu erklären wäre, soll sie sich mit ihm zu einem Tauchgang treffen.
Grace lässt sich, obwohl völlig unerfahren, auf den Tauchgang ein und wacht im Krankenhaus auf. Alberto rät ihr dringend vor dem geplanten MRT zur Flucht und erinnert sie unter anderem an ein sich selbst füllendes Glas mit Meerwasser, was ihr selbst neben anderen Dingen stets sonderbar vorkam. Von Lieke erfährt Grace, dass ihre Mutter paranormale Fähigkeiten besessen hätte und sich „in eine bessere Welt“ auf „einen anderen Planeten beamen“ wollte.
Albertos Tochter Marta ist gegen eine Bebauung mit einem neuen Hotel von Es-Vedrà, einen vorgelagerten Felsen vor Ibiza. Wie zuvor Christina bekämpft sie das Vorhaben und plant eine Demonstration, woraufhin sie eine Morddrohung erhält. Mit Unterstützung eines Auftritts von Lieke im Amnesia und sozialer Medien muss es gelingen, die von der Politikerin Sofía geforderten Demonstranten zu mobilisieren, damit sie sich ebenfalls gegen das Projekt wendet.
Im Grunde genommen hat Matt Haig mit Die Unmöglichkeit des Lebens* ein Sachbuch geschrieben, das lediglich in eine spannende Geschichte gebettet ist. Anhand eines Fallbeispiels doziert die Mathematiklehrerin über Unendlichkeit, im Fall des Physikers und Nobelpreisträgers Richard Feynman über die Quantenmechanik oder auch die Telomerase, mit der sie konfrontiert wird, als sie starke Signale aus einem Hummeraquarium vernimmt. Die Tiere, die im Besitz des ihre DNA schützenden Enzyms Telomerase sind, haben ihr von ihrem Schmerzempfinden Mitteilung gemacht. Schließlich erfährt Grace von Alberto, dass Präkognition (Vorhersage) und Telepathie (Gedankenübertragung) einer Studie der Cornell University aus dem Jahr 2011 messbar sind. Allerdings ist die vom Psychologen Daryl Bern durchgeführte Studie in der Wissenschaft umstritten. Insofern kann der Plot mit seinen überaus mystischen Einlagen durchaus dem Genre Fiktional zugeordnet werden, wenn Grace plötzlich spanisch sprechen und tauchen kann und wie zuvor Christina alles über die sie umgebenden Menschen weiß und lediglich mit Gedanken oder Wünschen etwas bewegen kann, was unter den Begriff der Telekinese fällt.
Grace findet immer dann, wenn sie schlimme Erinnerungen ereilen, Zuflucht in der Mathematik und liefert entsprechende Rechenbeispiele. Die Zweiundsiebzigjährige leidet unter Gewissensbissen, weil sie sich für den Tod ihres Sohnes verantwortlich fühlt. Zudem gönnte sie sich seit einer Affäre mit einem Lehrerkollegen keine Freude mehr.
Bis auf das erwähnte Eight Wonder Spa Resort an der Cala Llonga existieren alle anderen Hotels wie das Buenavista in Santa Eulalia. Matt Haig, der mit seiner Ehefrau einst einen Nachtclub auf Ibiza unterhielt, weiß in seinem Roman zu berichten, dass das „Pacha“, der berühmteste Nachtclub auf Ibiza, in den Siebzigerjahren nur eine Finca mit Disco war und in der weltgrößten Club-Diskothek „Privilege“, die früher den Namen „Ku“ trug, Freddie Mercury, David Bowie, Grace Jones und Mick Jagger auftraten, denen er selbst vermutlich auch dort begegnete.
Der Autor macht auf die Bedeutung des überhandnehmenden Mikroplastik, das stark Kohlenstoff speichernde und somit reinigende Seegras zwischen Ibiza und Formentera aufmerksam und auf die im Jahr 2014 auf Ibiza stattfindenden Proteste gegen Ölbohrungen. Matt Haig, der allerlei philosophische Gedanken in seinen Plot einfließen lässt, beweist schon auf den ersten Seiten seines vielschichtigen und überaus interessanten Romans Die Unmöglichkeit des Lebens* sein literarisches Können!
Die Unmöglichkeit des Lebens von Matt Haig
Übersetzung Sabine Hübner, Dr. Bernhard Kleinschmidt und Thomas Mohr
Droemer Verlag 2024
Hardcover mit Schutzumschlag
416 Seiten
ISBN 978-3-426-28276-2