Wie ein Stern in mondloser Nacht von Marie Sand

Die Geschichte einer heimlichen Heldin!

Henni Bartholdy lebt im Jahr 1947 allein mit ihrer Mutter Wilma und dem kränkelnden Bruder Paulchen in Berlin, nachdem der Vater in Russland gefallen ist. Eines Tages soll sie für ihre entkräftete Mutter das Putzen im Hause der Rothenburgs übernehmen. Während Henni die Treppe mit Schmierseife behandelt, stürzt der erwachsene Sohn und fällt mit dem Kopf auf den Putzeimer, wobei er sich eine blutende Wunde an der Stirn zuzieht. Ihre forschen an ihn gerichteten Worte machen den jungen Mann neugierig. Er möchte mehr über sie, über die Nöten und Sorgen armer Leute in Erfahrung bringen. Seinerseits vertraut er ihr an, dass er es bei seiner verlogenen Familie nicht mehr aushält und nach Cambridge ausziehen wird, um dort ein Medizinstudium aufzunehmen. Anders als sein Vater, der bei zahlungskräftigen Nutten und Filmstars Abtreibungen vornimmt, will er später auch ohne Bezahlung helfen. Um Henni das Abitur zu ermöglichen, übernimmt er ihre Putzarbeiten und entlohnt sie dennoch großzügig.

Immer wieder beteuert Ed, der Sohn des reichen Dr. von Rothenburg, seine Liebe zu Henni, seinen Engel, wie er sie nennt. Doch dann schlägt das Schicksal hart zu und für Henni beginnt ein neuer Lebensabschnitt ohne Mutter und Paulchen. Sie fasst den Entschluss, Hebamme zu werden und wird gerade an einem ihr verhassten Ort zur Bittstellerin. Als sie später im Krankenhaus Waldfriede unerlaubterweise einer Rechtsanwältin ganz alleine bei deren Geburt beisteht, findet sie in ihr eine Freundin. Längst überlegt Henni nach Möglichkeiten, wie sie Müttern helfen kann, die ihre Kinder nicht behalten wollen und diese oftmals aus Not umbringen. Gegen den anwaltlichen Rat ihrer Freundin sieht Henni die Lösung in einer vor ihrer Tür auf dem Hof abgestellten Apfelsinenkiste, in der die Babys anonym abgelegt werden können.

Marie Sand hat ihren Roman „Wie ein Stern in mondloser Nacht“ in zwei Handlungssträngen geschrieben: Zum einen geht es um die Entwicklungen von Henni, die für ihr Ziel, Hebamme zu werden, hart kämpfen muss. Zum anderen werden die Ereignisse des Jahres 2000 in Berlin erzählt: Die Journalistin Liv Andersson folgt der Rede eines Arztes im Krankenhaus Waldfriede, der stolz die Einweihung der ersten Babyklappe in Berlin verkündet. Im Jahr 1985 hat sie aus eigenem Interesse ein nie veröffentlichtes Interview mit der Hebamme Henni Bartholdy geführt und fragt den Arzt im Anschluss an seine Rede im Krankenhausgarten, ob er Henni kenne, was er verneint. Doch Liv ist sicher, dass Henni in höchsten Tönen von ihm gesprochen hat, was nur heißen kann, dass Dr. Ed von Rothenburg sie belogen hat.

Im Plot finden sich Hinweise auf die Ausgabe der Illustrierten Stern vom Juni 1971, in der zahlreiche berühmte Frauen bekannten, abgetrieben zu haben, sowie auf eine in naher Zukunft mögliche Medikation, die Übelkeit in den ersten Schwangerschaftsmonaten zu bekämpfen. Dabei handelt es sich offensichtlich um das später millionenfach verabreichte Beruhigungsmittel Contergan an Schwangere, das wegen der missgebildeten Extremitäten traurige Berühmtheit erlangte. Dass die Autorin in ihrem Roman ausführlich von Schwangerschaft und Geburt berichtet, ist nicht erstaunlich, dass sie aber sogar den umstrittenen und selbst heute noch angewandten Kristeller-Handgriff erwähnt, bei dem die Geburt durch gewaltsamen Druck auf den Bauch der werdenden Mutter beschleunigt wird, zeugt von einer umfassenden Recherche zu diesem Thema. Übrigens ist tatsächlich im September 2000 die erste Babyklappe im Krankenhaus Waldfriede in Berlin als erstem Krankenhaus in Deutschland errichtet worden.

Der Roman „Wie ein Stern in mondloser Nacht“ handelt von einer unglückseligen Liebe und zeichnet die sehr bewegende und aufwühlende Geschichte der fiktiven Henni Bartholdy nach, die für ihr Überleben hart kämpfen muss, nachdem eine böse Intrige ihr Glück zerstört hat. Marie Sand versteht es, dem Leser immer wieder neue Rätsel aufzugeben, denn nicht immer ist alles so, wie es aussieht. Und so kann er, vom Fortgang der Handlung getrieben, das Buch kaum aus der Hand legen.