Achtzehnter Stock von Sara Gmuer

Achtzehnter StockWanda wohnt mit ihrer fünfjährigen Tochter Karlie in einer Zweizimmerwohnung im 18. Stock. Das einzig Schöne ist der Ausblick auf den Berliner Fernsehturm, denn im Lift sammelt sich häufig der Sperrmüll und im Innenhof der Müll. Doch so hat sich Wanda ihr Leben nicht vorgestellt! Sie will Schauspielerin werden und freut sich deshalb über eine Einladung zum Casting. Als sie über einen Anruf erfährt, dass sie die Rolle bekommt, ist sie hocherfreut, zumal sie wegen des Schweigens des Regisseurs nicht damit gerechnet hat.

Während Wanda alle Kollegen kennenlernen soll, darunter auch Adam Ezra, dem die Hauptrolle zufällt, ruft Aylins Mama an, die auf Karlie aufpassen soll. Wanda, auf die Chance ihres Lebens hoffend, bleibt nichts anderes übrig und lässt den Champagner stehen, um zu ihrer Tochter zu eilen, deren Mittelohrentzündung wieder schlechter geworden zu sein scheint. Unglücklicherweise wird in der Eile auch noch ihre Handtasche mit ihrem Schlüssel, dem Geld und Personalausweis gestohlen.

Wanda hat Probleme, einen Arzt zu finden, den sie ohne Termin aufsuchen kann. Als sie schließlich zu einer Ärztin kann, untersucht diese nicht einmal Karlie, da sie „bei so viel Otorrhö nichts sehen“ (Austritt von Sekret aus dem Gehörgang) kann. Um vier Uhr wird Wanda endlich nach fünf Stunden in der Notaufnahme aufgerufen. Bei ihrer Tochter wird eine Lumbalpunktion vorgenommen, deren Diagnose eine bakterielle Hirnhautentzündung ergibt. Zudem muss wegen des Fortschritts der Erkrankung auch noch eine Mastoidektomie (Entfernung des Warzenfortsatzes) vorgenommen werden.

Wie zu befürchten, ist Wanda „raus“, weil man eine Mutter, die zu ihrem schreienden Kind rennt, nicht gebrauchen kann. Zu allem Überfluss verschafft sich auch noch jemand Zutritt zu ihrer Wohnung mit dem gestohlenen Schlüssel, weswegen Wanda Anzeige erstattet. Unerwartet erhält sie von Adam Ezra eine Einladung zur Filmpremiere. Nun steht sie vor der Frage, was sie zu diesem Anlass anziehen soll. Die nächste Überraschung wartet auf Wanda, als ihr der Produzent Wilhaus noch eine Chance gibt.

Sara Gmuer macht in ihrem anspruchsvollen Roman „Achtzehnter Stock“ keine Zeitangaben bezüglich der vergangenen Stunden oder Tage. Einige Details werden ebenfalls nicht näher beleuchtet. So wird die Mutter der Freundin von Wandas Tochter nie mit Namen genannt und ist nur Aylins Mama. Warum Wanda ihre Tochter glauben lässt, dass Teymur, der sie besucht, ihr Vater sei, bleibt ein weiteres Fragezeichen. Über die Vergangenheit der Protagonistin erfährt der Leser, dass sie einst als Schwangere von Ferdinand von Walter vergiftet wurde. Er, so ist zu lesen, habe ihr gesagt, dass sie „es wegmachen lassen“ sollte, was nur bedeuten kann, dass er Karlies Vater ist.

Der Roman ist zeitlich während der Corona-Pandemie angesiedelt, als systemrelevante Berufe noch von Bedeutung waren und manch einer mit einer Teststation ausgesorgt hat, wie Sara Gmuer erinnert. Längst ist auch ein Tesla, wie ihn Adam Ezra fährt, kein Prestigeobjekt mehr. Sara Gmuer bemächtigt sich einer bildhaften Sprache, indem beispielsweise Herz und Arterien wie ein Wasserhahn verkalken oder Rolex an Bäumen wachsen. Gegen Angst wird man nicht immun und gegen sie gibt es keine Antikörper. Sozialkritische Aspekte fließen in den Plot, für den sich die Autorin vermutlich auch in fachlicher Hinsicht von einem HNO-Spezialisten beraten ließ. Ein literarisches Juwel!

Achtzehnter Stock von Sara Gmuer

Achtzehnter Stock
Carl Hanser Verlag 2025
Hardcover mit Schutzumschlag
224 Seiten
ISBN 978-3-446-28278-0

Bildquelle: Carl Hanser Verlag


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