Yalo von Elias Khoury

YaloIn Elias Khourys Roman „Yalo“ wird die Titelfigur im Gefängnis von Beirut einem Verhör unterzogen. Der Ermittler erwartet von ihm, dass er sich seiner Vergehen für schuldig bekennt. Schîrîn Raad hätte ihn wegen Vergewaltigung angezeigt. Aber das sind doch alles gemeine Unterstellungen! Sie hat doch nach seinen Umarmungen geschmachtet! Er hat sie doch geliebt, sich in ihre Zartheit verliebt. Die Liebe zu ihr schnitt ihm die Luft ab, er wollte sie heiraten! Und die Sterne konnte er nur bei ihr sehen! Warum glaubt man ihm nicht und quält ihn dafür? Er wird geschlagen, getreten, aufs Übelste gefoltert. Dann soll er alles aufschreiben, seine ganze Lebensgeschichte und bloß bei der Wahrheit bleiben!

Also schreibt er: Mit 11 Jahren wurde ein Mädchen neben ihm von einer Bombe zerfetzt, was ihm einen Schock versetzte. Mit 14 hat er schon in der Kaserne gelernt, nicht zu sprechen, weil der Krieg seine Worte hinter Worten verbirgt. Dann hat er mit Toni einen Tresor geknackt und wollte in Frankreich ein neues Leben beginnen. Doch Toni hat ihn hintergangen, so dass Yalo mittellos in einem fremden Land zurückblieb. Von Alexi hat er die Lust zum Morden gelernt und seine Feigheit abgelegt.

Als Bettler wurde er von dem Rechtsanwalt Michel Sallûm aufgegriffen, der ihn mit zurück in den Libanon nahm. Dort begann Yalo eine Affäre mit dessen Ehefrau Madame Randa, mit der er seinen Körper neu entdeckte. Zu der Zeit fingen auch die Schweinereien an, wie er sie in seinen Aufzeichnungen nannte: Erst fand er nur Gefallen daran, Liebespaare bei ihrem Spiel im Auto zu beobachten, wobei es ihm schon vom Zusehen schneller kam als dem Mann im Auto. Dann hat er sie ausgeraubt und die erste Vergewaltigung war mehr ein Zufall. Ihr Zittern hat er missverstanden und dachte, sie erwarte das nun von ihm.

Wie man es von ihm verlangt, schreibt er alles nieder. Gesteht alles, auch das, was er gar nicht getan hat. Unter der fortgesetzten Folter, die viele nicht überlebt haben, spürt er den Tod. Den Yalo, der er einmal war, gibt es nicht mehr.

Der Roman „Yalo“ von Elias Khoury setzt an beim Verhör im Gefängnis, doch übergangslos, ohne Absatz, findet ein Wechsel statt. Trotzdem gerät nichts durcheinander und der Leser verliert nie den Überblick, wenn die Szenen wechseln, ineinander übergehen. Der Gefolterte erinnert sich an Begebenheiten mit seiner Mutter, der ein Spiegel ihr Gesicht gefressen hat und auch an seinen Opa Pater Afram, vor dem er die Beichte ablegen musste. Er denkt an die Liebespaare, die er in den Autos aufgesucht hat und an Schîrîn. Immer wieder fragt er sich, warum sie ihn angezeigt hat. Seine Gedanken wandern von ihr zu Mary, mit deren Bild vor Augen alle Jungen in der Schule durch ihre Fantasien angeregt masturbiert haben. Immer wieder wird Yalo in seinen Gedanken unterbrochen und sieht sich seinem Peiniger gegenüber.

Elias Khoury erzählt das alles unglaublich einfühlsam. Ganz besonders bei den Foltermethoden bedient er sich einer einzigartigen stilistischen Sprache und geht zu Metaphern über. Der Roman selbst ist in einer Erzählperspektive geschrieben, wobei der Autor bei den Aufzeichnungen zur Ich-Form wechselt. Interessant ist, dass er im weiteren Verlauf der Niederschriften Yalo sich selbst verlassen lässt und er sich quasi beobachtet, wie er schreibt. Er wünscht Yalo, als sei er selbst ein Außenstehender, dass er keiner weiteren Folter unterzogen wird. Damit ist Elias Khoury in „Yalo“ ein genialer Schachzug gelungen. Wenn auch darauf hingewiesen wird, dass alles frei erfunden wurde, so ist doch alles überaus realistisch dargestellt. Eine Meisterleistung, die Beachtung verdient!

Yalo von Elias Khoury

Yalo
Übersetzung von Leila Chammaa
Suhrkamp Verlag 2011
Hardcover mit Schutzumschlag
378 Seiten
ISBN 978-3-518-42224-3

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Bildquelle: Suhrkamp Verlag
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