Ökorassismus: Eine schonungslose Analyse globaler Umweltungerechtigkeit

Buchcover des Sachbuchs Ökorassismus

Was bedeutet „Ökorassismus“?

Gleich im ersten Abschnitt ihres Sachbuchs Ökorassismus gibt Ciani-Sophia Hoeder eine prägnante Antwort auf die Frage, was mit dem Begriff gemeint ist: die ungleiche Verteilung von Umweltbelastungen, die über Krankheit oder längeres Leben entscheiden können. Sie macht deutlich, dass Weiße – die Verursacher der Klimakrise – auf Kosten Schwarzer Menschen leben, und das mit System. Während beispielsweise im Kongo, einem rohstoffreichen Land, selbst Kinder unter unmenschlichen Bedingungen in Minen schuften, demonstrieren Weiße ihre Macht und nutzen die Not der armen Bevölkerung aus. Gleichzeitig präsentieren wir stolz Smartphone, Laptop und E-Auto. Bei uns wären solche Arbeiten trotz vorhandener Ressourcen aufgrund von Umweltauflagen und hohen Personalkosten gar nicht realisierbar.

Kritik an Ignoranz und Ausbeutung

Die Autorin, die Politik und Journalismus studiert hat, spart nicht mit Kritik. Sie klagt die Gleichgültigkeit an, mit der Weiße die Umwelt Schwarzer und indigener Lebenswelten bewusst als Rohstofflager betrachten und die Warnungen indigener Stimmen ignorieren. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt sie, wie im Ökosystem alles miteinander verbunden ist. Ein hohes Einkommen geht mit einem größeren ökologischen Fußabdruck einher – denn wer wenig besitzt, kann sich nur eine kleine Wohnung und wenige Flugreisen leisten.

Grüne Lebensräume – ein Privileg?

Fast jeder möchte von Grün umgeben wohnen, doch ist das nur Wenigen vergönnt. Wer die grüne Oase eines Schrebergartens genießen möchte, braucht entweder Beziehungen oder mehr Geld als andere. Zwar werden auch umweltfreundliche Maßnahmen in einigen Stadtteilen umgesetzt, doch steigen dadurch die Mieten – und letztlich profitieren nur die Reichen davon.

Klimaschutz und gesellschaftliche Akzeptanz

Ciani-Sophia Hoeder weiß, dass viele Menschen den Klimaschutz befürworten. Doch radikale Straßenblockaden, wie sie ein schwedischer Humanökologe fordert, stoßen auf wenig Akzeptanz. Längst geht es nicht mehr nur um den Eisbären, sondern um die Inuit – um den Menschen selbst. Die Autorin sieht die weltweiten CO₂-Emissionen „tief in der Geschichte der Industriellen Revolution verwurzelt“ und ist überzeugt, dass Superreiche und zerstörerische Konzerne uns jahrzehntelang mit Desinformationen versorgt haben, indem sie uns glauben ließen, wir seien das Problem, weil wir zu viel fliegen.

Recycling und globale Verantwortung

Können wir noch guten Gewissens auf unsere Recyclingkultur blicken, wenn jährlich Hunderttausende Tonnen unseres Plastikmülls in Malaysia oder der Türkei landen? Unmissverständlich listet die Autorin Skandale auf und nennt unter anderem ExxonMobil, Shell, BP und Gazprom als „die eigentlichen Architekten der Klimakrise“. Die Verantwortung für das Stoppen des Klimawandels wird laut Hoeder in unsere Brieftaschen verlagert, obwohl der Klimawandel „Ausdruck jahrhundertelanger Ungerechtigkeiten – von Kolonialismus, Ausbeutung und systematischer Unterdrückung“ sei.

Persönliche Erfahrungen und historische Bezüge

In ihr Buch Ökorassismus, dessen erste Seiten sie im durch den Klimawandel im Januar 2025 abgebrannten Pacific Palisades in Los Angeles verfasste, lässt Hoeder auch eigene Erfahrungen einfließen. So kann sie sich als Schwarze Frau nicht ungestört in einem Park niederlassen, ohne belästigt zu werden. Schwarze Menschen werden von Weißen häufig als Bedrohung wahrgenommen und nicht selten als unsauber erachtet – weshalb der Text auch einen Exkurs zur Hygiene im Mittelalter und heute enthält. Sie selbst zählt sich aufgrund ihres Studiums zum „ökologischen Analphabetismus“, was sie sehr bedauert.

Lösungsansätze und Perspektivenwechsel

Mit Zahlen und zahlreichen Zitaten belegt Ciani-Sophia Hoeder ihre Aussagen – ein umfangreiches Quellenverzeichnis zeugt davon. Sie zeigt auch Perspektiven für einen ganzheitlicheren und effektiveren Ansatz auf, etwa durch eine Besteuerung der Reichen, die am meisten zur Zerstörung beigetragen haben. Die arme afrikanische Bevölkerung, obwohl der kleinste Emittent von Kohlenstoff, ist am stärksten von den Folgen betroffen. Die Lösung kann nur in einem Perspektivenwechsel mit weniger Konsum und mehr Verzicht liegen. Alarmierend ist, dass bereits fünf Milliardäre nicht an Lösungen arbeiten, sondern an ihren Fluchtplänen – dem müsse man, so die Autorin, mit gesellschaftlichem Druck begegnen.

Fazit: Ein Werk, das zum Nachdenken zwingt

Es ist nicht leicht, einem solch vielschichtigen und eindrucksvollen Werk mit einer Besprechung gerecht zu werden. Es stellt sich ohnehin die Frage, ob das Buch auch diejenigen erreicht, die an den Stellschrauben drehen können oder wollen. Auch wenn es jedem Laien zu empfehlen ist, könnten die zahlreichen Fremdwörter manche Leser abschrecken. Auf jeden Fall sollte man sich bei der Lektüre Zeit nehmen, einzelne Textstellen sacken lassen und auf sich wirken lassen.

Ökorassismus – Wie Weiße unsere Welt zerstören von Ciani-Sophia Hoeder

Buchcover des Sachbuchs Ökorassismus
Carl Hanser Verlag 2025
Hardcover
160 Seiten
ISBN 978-3-446-28430-2

Bildquelle: Carl Hanser Verlag

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