Die Schlank-Strategie von Prof. Dr. Stefan Winter

Gesünder leben mit den Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaft – Wirksame Veränderungen statt sinnloser Diäten!

Wer von dem Sachbuch „Die Schlank-Strategie“ Kalorientabellen und Menüvorschläge zur Gewichtsreduktion erwartet, wird schon in der Einleitung von Prof. Dr. Stefan Winter eines Besseren belehrt. Vorab weist er auf die Bedeutung des „richtigen“ Lesens hin sowie eine unabdingbare Protokollführung. Er fährt fort mit unserem Ess- und Bewegungsverhalten, dann schreibt er vom Tauchen. Spätestens jetzt fragt sich der Leser unweigerlich, ob er ein falsches Buch in Händen hält. Doch mitnichten, denn all diese scheinbar vom Thema abweichenden Ausführungen sind für die unrealistische Erwartung, schon morgen mit einer Bikinifigur zu glänzen, unerlässlich. Im Fokus stehen bescheidene Ziele und ganz konkrete effektive Strategien, wie schon der Titel verheißt.

Da seiner These zufolge die Evolution unsere Wahrnehmung formt, kann dieses Gebiet nicht ausgeklammert werden. Zur Veranschaulichung des evolutorisch alten und des neueren Teils unseres Gehirns stellt er zwei von ihm geschaffene Gestalten vor, die von Isabell Klett an den entsprechenden Stellen zur Unterstreichung der Erläuterungen illustriert wurden: Das Viech und den Denker, zwei rivalisierende Gegenpole in uns. Auf der einen Seite ist hochwissenschaftlich von Dopamin die Rede, von dualer Prozesstheorie, Interface-Theorie, Evolutionspsychologie, Mutation und Selektion, auf der anderen Seite stehen die höchst belustigenden Ausführungen und Beispiele dazu, die manchmal schon fast naiv anmuten und ein gesteigertes Interesse des Lesers wecken.

Dass zur Vermeidung von Übergewicht mit den Folgen einer Adipositas und eines Diabetes ausreichend Schlaf gehört, wird von dem Autor leicht verständlich erklärt, auch wenn er die daran beteiligten Botenstoffe Leptin, Ghrelin und Adenosin zur wissenschaftlichen Untermauerung ins Spiel bringt. Er hat die seltene Gabe, Laien so abstrakte Dinge wie die Verhaltensökonomie näher zu bringen und mit den überaus interessanten, jedoch umso bedenklicheren Beispielen zur Erschöpfung von Willenskraftreserven bei Richtern oder Ärzten eigentlich jeden wachzurütteln, der sonst einen großen Bogen um diese Sachverhalte machen würde. Prof. Dr. Stefan Winter schreibt von Wahrnehmung, Prognosefehlern, allgemeinen Gewohnheiten und möglichen Änderungen der Ernährungsgewohnheiten. Er beleuchtet Geschmackswahrnehmung und wirft einen kritischen Blick auf den Einfluss von Werbung und soziale Medien sowie deren Berichterstattung.

Vergeblich wird der Leser in dem Sachbuch „Die Schlank-Strategie“ auf konkrete Ratschläge zur Erlangung seiner Traumfigur warten. Stattdessen wird er mit dem Satz konfrontiert, dass Diäten – zumindest auf Dauer – gar nicht klappen können. Diese Aussage ist an sich für ihn nicht neu, nur hat er das wahrscheinlich in der Form noch nirgendwo schwarz auf weiß gelesen. Kalorienzählen soll verblöden und einige Diätkonzepte sogar „krimineller Humbug“ sein? Sie bringen nicht nur keinen Erfolg, sondern machen obendrein auch noch physisch krank und unglücklich? Unglücklich und unbefriedigend, wem kommt das nicht bekannt vor?

Der überraschende Rat von Prof. Dr. Stefan Winter lautet, mehr auf die Uhr, ja, das ist kein Druckfehler, mehr auf die Uhr als auf die Waage zu schauen und an genügend Schlaf zu denken! Auf unterhaltsame und höchst amüsante Weise vermittelt er wissenschaftliche Sachverhalte, wobei er eine Reihe verblüffender Studien anführt. An dieser Stelle sei nur das erstaunliche und im Text nachzulesende Experiment mit einer Gummihand angeführt. Auf die Frage, was eigentlich in dem Sachbuch mit vielen Anmerkungen und einer Liste der verwendeten Literatur steht, das so gar nicht in die Reihe der üblichen Ernährungsratgeber passen will, hat er in seinem Schlusswort selbst geantwortet: „Timing, Entscheidungs- und Emotionsarchitektur. Die Details solltest du aber selbst lesen, es lohnt sich!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.