Künstliche Intelligenz ist immer mehr in aller Munde und wird durchaus kritisch und kontrovers unter den Fachleuten diskutiert. Florian Schwiecker und Michael Tsokos haben dieses komplexe Thema für den vierten Fall ihres Strafverteidigers Rocco Eberhardt und Rechtsmediziners Doktor Justus Jarmer gewählt: Während Doktor Sasha Müller, Chefärztin der Chirurgie am Berliner Klinikum Spreehöhe, Jens Dauber operiert, meldet die Narkoseschwester plötzlich nach Verabreichung eines Kontrastmittels ein Problem. Der Anästhesist Doktor Christian Zwosta hatte zwar kurzzeitig den OP verlassen, ist jedoch sofort zur Stelle und spritzt dem Patienten, der offensichtlich eine allergische Reaktion auf das Kontrastmittel zeigte und daraufhin einen anaphylaktischen Schock erlitt, die erforderlichen Gegenmittel. Doch wie auch Assistenzärztin Doktor Anna Donath sehen sich Sasha Müller und Christian Zwosta mit dem Tod von Jens Dauber konfrontiert.
Die ärztliche Direktorin Doktor Krista Hendry sieht sich gezwungen, die Polizei zu informieren, die wiederum die Staatsanwaltschaft in Kenntnis setzt, und stellt mit sofortiger Wirkung alle an der Operation Beteiligten von ihren Aufgaben frei. Für Oberstaatsanwältin Doktor Julia Bunzel erhärtet sich der erste Verdacht eines Behandlungsfehlers durch die Chirurgin. Wegen fahrlässiger Tötung will sie Anklage erheben. Doch Staranwalt Rocco Eberhardt fragt sich, warum nur sie ins Fadenkreuz der Ermittlungen gerät, zumal bei der Planung der Operation auf die Unterstützung einer künstlichen Intelligenz zurückgegriffen wurde, mit der das Krankenhaus schon drei Jahre Erfahrungen gesammelt hat. Er berät sich mit seinem Freund Tobias Baumann, einem ehemaligen Kriminalkommissar, der mittlerweile als Privatdetektiv Rocco unterstützt. Sasha Müller, die nicht im Traum daran dachte, welche Dimension der Fall inzwischen erlangt hat, hofft auf ein sie entlastendes Gutachten von Doktor Joline Brockhoff vom Hospital in Kanada.
Der vielschichtige Justiz-Krimi Der 1. Patient* von Florian Schwiecker und Michael Tsokos beleuchtet nicht nur das Geschehen im OP mit den sich daraus ergebenden Ermittlungen, sondern informiert auch über die zum Zuge gekommene künstliche Intelligenz. Erik Andersson, Gründer der KI Augmentum mit Sitz in Stockholm und ehemaliger Geschäftsführer, dem nunmehr lediglich ein Sitz im Aufsichtsrat zuteilt wurde, geht davon aus, dass der Fehler nicht in der KI begründet sein kann und wird nach Berlin zitiert, um dort Akteneinsicht nehmen zu können. Mit Prof. Dr. Gunther Sonnenberg von der Charité hat Sasha Müller einen Kontrahenten, der zwar kein grundsätzlicher Gegner der KI ist, doch Sorge wegen der nicht ausgereiften Technologie und einer zu schnellen Entwicklung hat, die sich einer Kontrolle entziehen könnte. Des Weiteren spielt die aufsteigende Journalistin Jule Hermann eine Rolle, die hofft, sich mit einer Story einen Namen zu machen und zu etablieren.
Der intelligent durchdachte Plot gliedert sich in drei Teile, „Tod im OP“, „Der Prozess“ und „Showdown“. Die Autoren, Florian Schwiecker war viele Jahre Strafverteidiger, Michael Tsokos ist Professor für Rechtsmedizin, haben neben fundiertem Wissen zur künstlichen Intelligenz* auch den Einfluss der Presse auf die Meinungsbildung deutlich gemacht, wobei der „Axel Läufer Verlag“, Arbeitgeber von Jule Hermann, unzweifelhaft auf den für seine reißerischen Titel bekannten Axel Springer Verlag anspielt. Es ist ein Vergnügen, im Plot von dem Schlagabtausch zu lesen, den sich Rocco Eberhardt mit Julia Bunzel liefert, wenn einer dem anderen immer wieder mit einem süffisanten Lächeln eine „Klatsche“ verpasst. Der mit jeder Menge überraschenden Wendungen versehene und einer ungeahnten, verblüffenden Auflösung punktende Justiz-Krimi hält die Spannung bis zum Schluss, der endlich Licht in den scheinbar unlösbaren Fall bringt.
Der 1. Patient von Florian Schwiecker und Prof. Dr. Michael Tsokos
Knaur Verlag 2024
Klappenbroschur
352 Seiten
ISBN 978-3-426-44623-2
Gesprochen von: Josef Vossenkuhl | Spieldauer: 9 Std. und 56 Min.