Jahrhundertverbrechen von André Groenewoud

Opfer und Täter erzählen!

JahrhundertverbrechenIn seinem Sachbuch Jahrhundertverbrechen* erinnert André Groenewoud an zwölf Verbrechen, die in die Geschichte eingingen: Den Anfang macht Arno Funke, der mehr unter seinem Pseudonym Dagobert bekannt wurde und in den 1990er Jahren Karstadt erpresst hat, indem er in mehreren Filialen Sprengbomben zündete. Zu Wort kommt nicht nur Arno selbst, sondern auch der seinerzeit ermittelnde Polizeibeamte, den der Täter immer wieder hinters Licht geführt hat.

Der IS bekannte sich im Jahr 2015 zu einem Verbrechen mit über zweihundert Toten. Der Autor sprach mit einem Ehepaar, das das Rockkonzert Bataclan überlebte, mit der Witwe eines dort Umgekommenen sowie mit dem Barbesitzer, auf dessen Terrasse seine Lebensgefährtin und Mutter seiner Tochter umkam.

1988 hielt ein Geiseldrama ganz Deutschland in Atem, nachdem Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski eine Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck überfallen hatten. Mit dem Journalisten Udo Röbel, der mit den Gangstern im Fluchtauto saß, und einer überlebenden Geisel konnte der Autor sprechen.

Wer kennt nicht das Foto eines Mädchens, das nach einem Napalm-Angriff nackt und schreiend über die Straße läuft? Die neunjährige Kim Phuc erlitt im Jahr 1972 schwerste Verbrennungen und wurde vom Fotografen und Journalisten Nick Ut ins Krankenhaus gebracht. André Groenewoud sprach mit der beeindruckenden Frau sowie mit ehemaligen Veteranen, die vier Jahre zuvor an unzähligen Zivilisten ein Kriegsverbrechen begingen.

Hanns-Martin Schleyer wurde von der RAF, die inhaftierte Mitglieder freipressen wollte, im Jahr 1977 entführt und nach einigen Ermittlungspannen ermordet. Der Autor konnte mit dem Sohn Jörg Schleyer und der Passagierin, die in der später entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ saß, sprechen. Weiter lässt er den damaligen Staatssekretär Gerhart Baum und das ehemalige RAF-Mitglied Silke Maier Witt zu Wort kommen.

André Groenewoud trifft Patrizia Reggiani, die im Jahr 1995 den Mord an ihrem Ex-Mann Maurizio Gucci, den Erben der Modedynastie, in Auftrag gegeben haben soll. Allerdings beteuert die inzwischen auf freien Fuß gesetzte Frau auch noch nach sechzehn Jahren im Gefängnis ihre Unschuld.

Die Geschwister Sophie und Hans Scholl stehen für den Widerstand. Wegen der Verteilung von Flugblättern wurden sie im Jahr 1943 mit dem Fallbeil hingerichtet. Der Autor konnte mit der Schwester sowie zwei Neffen der beiden sprechen.

André Groenewoud suchte das Gespräch mit Eltern von Kindern, die in den 1990er und 2000er Jahren ermordet wurden. Er sprach mit einem Vater, der nicht verstehen kann, wieso der Mörder seines Kindes Besuch von seiner Frau und seinen drei Kindern empfangen darf und in einem Einzelzimmer mit Fernseher, PlayStation und Radio lebt, während er selbst seine Tochter nicht mehr in die Arme schließen kann.

Auch mit der Eiskunstläuferin Tonya Harding konnte der Autor sprechen. Wie groß muss ihr Hass auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan gewesen sein, dass sie den Anschlag im Januar 1994 mit einem Polizeischlagstock gebilligt hat?

Nur sieben Menschen haben das Foltergefängnis der Roten Khmer, die 1975 an die Macht kamen und zwei Millionen Menschen auf dem Gewissen haben, in Phnom Penh überlebt. Mit zwei von ihnen und einem ehemaligen Wächter konnte sich André Groenewoud treffen.

Kaum jemand hat vergessen, unter welchen Umständen er von den Terroranschlägen am 11. September 2001 erfahren hat. Der Autor sprach mit Personen, die aus dem World Trade Center entkommen konnten, mit Angehörigen von darin umgekommenen und mit Personen, die einen der Täter kannten.

Das letzte Gespräch führte André Groenewoud mit dem Detective, der Lee Harvey Oswald, den Mörder von John F. Kennedy, vom Polizeigebäude ins Gefängnis überführen sollte. Obwohl Oswald mit dem Detective mit einer Handschelle verbunden war, wurde dieser zwei Tage nach dem Mord an dem Präsidenten selbst tödlich getroffen.

André Groenewoud ergänzt in seinem Sachbuch Jahrhundertverbrechen* die bekannten Tathergänge durch Hintergründe und zeichnet die letzten Stunden der Opfer nach. Die Verbrechen schildert der Journalist ohne eine Wertung souverän sachlich und kommt ins Grübeln, wenn er einen Mörder sympathisch findet. Soll er das so schreiben? Einmal wird der Leser mit zutiefst ergreifenden, erschütternden Schicksalen, ein anderes Mal mit nicht vorstellbarer Kaltblütigkeit konfrontiert, die er kaum zu ertragen vermag. Für seine Recherchen an diesem aufrüttelnden Buch gebührt dem Autor höchstes Lob!

Jahrhundertverbrechen von André Groenewoud

Jahrhundertverbrechen
Topicus Verlag 2023
Taschenbuch
256 Seiten
ISBN 978-2-49671-400-5

Bildquelle: Amazon

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