Eine Reise in die Welt unter Tage

Buchcover: Tim und Anna fahren ein

Erinnerungen aus einer anderen Zeit

Ein Nachbar von Tim und Anna, den sie liebevoll Onkel Albert nennen, erzählt den beiden Kindern aus seinem Leben. Sie staunen darüber, dass er als Kind keine Dusche kannte und seine Mutter jede Woche am Badetag eine Zinkbadewanne in der Küche aufstellte, in der die Kinder der Reihe nach gebadet wurden. Auch hatte er kein eigenes Bett, sondern musste sich eines mit seinem Bruder teilen. Junge Bergleute hätten – wie sein Vater – als Kostgänger bei einer Familie zur Untermiete gewohnt, berichtet Onkel Albert den neugierigen Kindern.

Sie erfahren außerdem, dass es hinter den Häusern in den Zechensiedlungen einen Stall mit einem Plumpsklo gab, in dem es im Winter empfindlich kalt war. Viele Bergleute hielten zudem Tauben – ein damals weit verbreitetes Hobby.

Ein Besuch im Bergwerk

Besonders spannend finden Tim und Anna Onkel Alberts Erinnerungen an seine Zeit als Bergmann auf einer Zeche. Er schlägt den Kindern vor, gemeinsam ein Bergwerk zu besuchen. Dort werden sie von seinem früheren Kumpel Wolfgang begrüßt. Die Kinder wundern sich über die schwarzen Gesichter der Bergmänner, die gerade aus dem Förderkorb steigen.

Onkel Albert wandert mit ihnen auf eine Halde und erklärt deren Entstehung. Als er berichtet, dass er selbst einmal nach einem Strebbruch unter Tage mit einem Kumpel verschüttet und eingesperrt war, wird Tim zunehmend neugierig auf die Welt unter Tage.

Im Bergbau-Museum

Tim und Anna „fahren ein“, allerdings nicht in ein echtes Bergwerk, sondern ins Bergbau-Museum in Bochum. Dort sehen sie die Werkzeuge, mit denen der Bergmann zur Zeit der Holzstempel gearbeitet hat. In einem anderen Streb wird gezeigt, wie mit Eisenstempeln das Hangende viel sicherer gestützt werden konnte. Ein Hobel demonstriert den Besuchern, wie die Kohle heute modern abgebaut wird.

Die Tage, von denen Onkel Albert erzählt – als noch Pferde die Kohlewagen zogen –, sind längst vorbei. Die Kinder sehen, wie die Kohle heute automatisch über Kettenpanzer transportiert wird und ein fortschreitender Schildausbau die Eisenstempel überflüssig gemacht hat.

Nach einem aufregenden Tag müssen Tim und Anna zu Hause erst einmal die vielen Eindrücke verarbeiten.

Ein gelungenes Kinderbuch

Heinrich Peuckmann erklärt den jungen Lesern sehr anschaulich die Welt unter Tage. Indem er den Sachverhalt in ein Gespräch zwischen den Kindern und einem Nachbarn eingebettet hat, entsteht beim Lesen nicht der Eindruck, man müsse etwas lernen – was Kinder in der Regel abschreckt.

Tim und Anna fragen immer wieder interessiert nach und verstehen mit der Zeit – wie auch der Leser – die Zusammenhänge.

Ein großes Plus dieses Buches ist das vom Verlag gewählte Großformat, das die vielen farbigen und detailgetreuen Illustrationen des Grafikdesigners Philipp von Ketteler besonders gut zur Geltung bringt.

Abgerundet wird das ohnehin schon informative Buch Tim und Anna fahren ein*, das sich an Neun- bis Elfjährige richtet, durch Erläuterungen bergbaulicher Begriffe. Ein wirklich sehr schönes Buch von Heinrich Peuckmann, das Kindern eine Welt erklärt, die es im Ruhrgebiet bald leider nur noch im Bergbau-Museum geben wird.

Tim und Anna fahren ein von Heinrich Peuckmann

Buchcover: Tim und Anna fahren ein
Illustrationen von Philipp von Ketteler
Aschendorff Verlag 2010
Hardcover
48 Seiten
ISBN 978-3-402-12828-2

Bildquelle: Thalia

Teile diesen Beitrag