Ich bin still von David Ouimet

Von einem Mädchen, das seine Stimme findet!

Ich bin stillEs gibt Menschen, die sich lieber zurückziehen und still verhalten. Für ihre Mitmenschen gelten sie als schüchtern oder introvertiert. Nur selten kommen sie aus sich heraus und erheben ihre Stimme. Genau so ergeht es einem kleinen Mädchen in dem Bilderbuch „Ich bin still“ von David Ouimet. Es ist manchmal still, weil es sowieso niemand versteht, wenn es spricht. Aus der Kleinen spricht Verzweiflung, weil sie nicht weiß, wie sie sein soll. Sie hört auch nicht immer zu, wenn andere etwas sagen, weil ihre Gedanken leicht abgelenkt werden und abschweifen. Am liebsten möchte sie davonfliegen.

Erst der Griff zu einem Buch und dem Besuch einer riesigen Bibliothek gibt ihr das Gefühl, auch irgendwie dazuzugehören. Beim Lesen schöpft sie neuen Mut und stellt fest, dass sie gar nicht so viel anders ist wie die anderen und auch gar nicht so klein, wie sie immer meinte. Endlich blickt sie voller Pläne in die Zukunft und will ganze Städte erbauen, in denen es nicht still sein wird, auch wenn sie es jetzt noch manchmal ist.

Auf der ersten Textseite läuft das namenlose kleine Mädchen, das in der Ich-Form seine Gefühle preisgibt, in gebeugter Haltung ganz alleine durch eine nächtliche Stadt, womit David Ouimet das Gefühl der Ausgrenzung seiner Protagonistin unterstreicht. Wenn sie einen Ort mit einer Menschenansammlung aufsucht, wird sie von allen angestarrt. Die Illustration einer mit Menschen gefüllten Fabrikhalle verdeutlicht, dass sie leidet und sich nur als ein Teil eines riesigen Getriebes fühlt, das von niemand wahrgenommen und beachtet wird. Doch dann wendet sich das Blatt und in dem Mädchen reift die Erkenntnis, dass jeder Mensch eine Daseinsberechtigung hat, keiner mehr oder weniger Wert ist und es gar nicht so schlimm ist, wenn man ruhig und zurückgezogen lebt.

Die düstere Stimmung der mit wenig Farbe auf griffigem Hochglanzpapier gedruckten Illustrationen veranschaulichen auf eindrucksvolle Weise, was das Mädchen fühlt. Wie die sie umgebenden Menschen führt sie entweder eine Gesichtsmaske mit sich oder trägt sie über ihr Gesicht gezogen. Erst als Bücher Teil ihres Lebens werden, verschwindet auch die Maske und zum Vorschein kommt ein glücklich und zufrieden aussehendes Gesicht. Das Bilderbuch „Ich bin still“ kann Schulkindern ab einem Alter von sechs Jahren vorgelesen werden, wobei sich gerade sensible und introvertierte Kinder von der Geschichte angezogen fühlen und Verständnis für das Gefühl der Ausgegrenztheit des Mädchens zeigen.

Ich bin still von David Ouimet

Ich bin still
mvg Verlag 2021
Hardcover
48 Seiten
ISBN 978-3-7474-0294-8

Bildquelle: Amazon
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