Ein tödlicher Banküberfall kurz vor Heiligabend
Zwei Tage vor Heiligabend beobachtet Margareta Sommerfeld von ihrem Arbeitsplatz aus einen Überfall auf eine Filiale der Deutschen Bank in Gelsenkirchen-Buer. Da nicht nur der Erste Hauptkommissar Helmut Blauländer vor Ort ist, sondern auch ein Notarztwagen, kombiniert die Hobbydetektivin, dass es mindestens ein Todesopfer gegeben haben muss. Wie sie erfährt, handelt es sich dabei um den Auszubildenden André, der dem Täter im Weg gestanden haben soll.
Verdächtige auf dem Weihnachtsmarkt
Margaretas Spürsinn ist geweckt. Auf dem Weihnachtsmarkt kommt sie mit dem obdachlosen Felix ins Gespräch, dem möglicherweise etwas aufgefallen ist. Kurzerhand lädt sie ihn ein, die Feiertage bei ihr zu verbringen. Ihre Vermutung bestätigt sich, als Felix ihr neben Alfred, dem Besitzer einer Mandelbude, und dem Hähnchenanbieter Bodo auch Kluge, den Besitzer eines Autohauses, als weiteren Verdächtigen nennt.
Unerlaubte Ermittlungen und eine böse Überraschung
Margareta will Kluge unbedingt auf den Zahn fühlen und verschafft sich gemeinsam mit Felix, dem das allerdings gar nicht behagt, unerlaubten Zutritt zu dessen Wohnhaus. Nichts ahnend wird sie dort mit einer Überraschung konfrontiert. Von diesem Moment an läuft alles anders als geplant: Eigentlich war Margareta für den zweiten Weihnachtstag bei ihrer Mutter Waltraud eingeladen, wo es Gänsebraten geben sollte. Stattdessen muss sie die Feiertage in Gefangenschaft verbringen. Felix, dem offenbar die Flucht gelingt, ist nun ihre einzige Hoffnung – sofern sie sich nicht in ihm getäuscht hat und er sie im Stich lässt.
Perspektivwechsel und schräge Figuren
Margit Kruse präsentiert in ihrem Weihnachtskrimi Schneeflöckchen, Blutröckchen*, Teil ihrer bereits aus mehreren Folgen bestehenden Krimireihe um die Hobbyermittlerin Margareta Sommerfeld, eine interessante Erzählform: Die Ereignisse werden jeweils aus der Perspektive der unterschiedlichen Handlungspersonen geschildert. So liest der Leser ein und dieselbe Handlung zwei- oder sogar dreimal – aus Sicht von Margareta, ihrer Mutter Waltraud, ihrem neuen Verehrer Sepp, dem Obdachlosen Felix oder von Alfred.
Bereits im ersten Drittel kennt der Leser den Bankräuber, was dem Spannungsbogen jedoch keinen Abbruch tut.
Sprachwitz und gesellschaftliche Tiefe
Wenn die Autorin ihren Figuren ungewöhnliche Bezeichnungen wie „Mandel-Alfred“ verleiht, wirkt das keineswegs überzogen, sondern fügt sich selbstverständlich in den Sprachgebrauch ein. Da fürchtet sich einer davor, dass sich beim Küssen plötzlich ein ausgefallener Zahn des anderen in seinem Mund verirrt, ein anderer wird mit einer Gießkanne niedergestreckt.
Doch bei aller Leichtigkeit spart Margit Kruse auch ernste Themen nicht aus: Sie berichtet von Elternteilen, die ihren Kindern zur Last geworden sind, und von menschlichen Schicksalen, deren Opfer in Abgründe gestürzt sind. Das in diesem Zusammenhang erwähnte und von der Caritas getragene „Weiße Haus“ auf der Hochstraße in Buer, das Obdachlosen Frühstück, Mittagessen, Kleidung und die Möglichkeit zum Duschen bietet, existiert übrigens tatsächlich.
Nebenbei weist die Autorin auf den umweltschädlichen Gebrauch von Plastiktüten hin und erwähnt Besonderheiten wie den futuristisch wirkenden Hubschrauberlandeplatz am Bergmannsheil oder das beliebte Ausflugsziel Schloss Berge.
Ein turbulentes Finale
Ohne Zweifel besitzt Margit Kruse einen unverwechselbaren Schreibstil und ersinnt Charaktere, wie sie kaum schräger sein könnten. In dem erfrischend anderen Weihnachtskrimi Schneeflöckchen, Blutröckchen* zieht sie am Ende alle Register: Die Margareta widerfahrenden Überraschungen überschlagen sich, der Kommissar glaubt einer Halluzination zu erliegen, und der Leser sonnt sich in dem herrlichen Durcheinander – und amüsiert sich köstlich.
Schneeflöckchen, Blutröckchen von Margit Kruse
Gmeiner Verlag 2017
Taschenbuch
279 Seiten
ISBN 978-3-8392-2137-2