Eine Großmutter erzählt ihrer Enkelin die Geschichte der Birnbäume, die gelernt haben so zu tun, als wären sie Apfelbäume.
Franziska ist die 25-jährige Enkelin von Lena. Sie erinnert sich an Erzählungen ihrer Großmutter und wie sie ihr als kleines Mädchen gelauscht hat. Eine erfundene Geschichte handelte von dem blinden Mädchen Ella. Das Besondere an diesem Mädchen war, dass es mit Tieren sprechen konnte und eines Tages hörte es von einer Eule, dass die Bäume des Obstgartens auf sie gewartet hätten. Die traurigen Bäume berichteten ihr davon, wie es in der Vergangenheit zu Streitigkeiten unter den verschiedenen Obstbäumen gekommen ist. In der Folge wurden quer durch die Reihen der Birnbäume neue Grenzen gezogen, wodurch die Birnbäume zusammen mit den Apfelbäumen in einem Staat leben sollten. Doch alle Bäume des neuen Staates sollten sich ähneln und man redete ihnen ein, dass sie eigentlich keine Birnbäume, sondern Kruschkenbäume wären. Weiter überzeugte man sie davon, dass ihre Sprache viel mehr der Sprache der Apfelbäume ähneln würde als der von Birnbäumen, die außerhalb des neu gegründeten Staates lebten. Die Konsequenz waren Verfeindungen unter den Birnbäumen der verschiedenen Staaten und den alten Dialekt sprach man nur noch zu Hause.
Erst heute, als Franziska eine erwachsene Frau geworden ist, versteht sie, was ihre Großmutter ihr mit dieser Geschichte näher bringen wollte. Die Obstbäume waren ein Gleichnis zu den Völkern und Staaten der Menschen, denn die Großmutter las der kleinen Franzi auch aus ihrer Familienchronik vor.
Das Buch „Schief gewachsen – wenn Wurzeln keinen Halt finden“ von Hemma Schliefnig ist eine Parabel, mit der die Autorin auf das Schicksal der Kärntner aufmerksam machen will. Wie zu allen Zeiten haben Kriege immer wieder dazu geführt, dass Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder neu gezogene Grenzen dafür verantwortlich waren, dass sich die dort lebenden Menschen zwar anpassten, aber sich dennoch fremd und nicht akzeptiert fühlten. Wenn Hemma Schliefnig an die Angst vor Tieffliegern, beengte Wohnverhältnisse, Hunger, schlechte hygienische Zustände und Armut erinnert, trifft das auch auf andere Volksgruppen und Landstriche zu.
Der Autorin dient die Auseinandersetzung mit diesem Thema einer eigenen Vergangenheitsbewältigung, denn auch ihre Vorfahren stammten aus Kärnten, die Windisch, einen Kärntner Dialekt des Slowenischen, gesprochen haben und auch ihnen war das Sprechen der Muttersprache verboten worden. Sie schreibt vom Einmarsch der Ungarn, Polen, Ukrainer, Tschechen und Serben in das ehemalige Kaiserreich Österreich sowie von der späteren Besetzung der Engländer, wobei sie darauf auf Erzählungen von Kindern zurückgreift und sich einer sehr einfachen, kindlichen Sprache bedient. Hier bleibt es für den Leser offen, ob es sich um originale Aufzeichnungen handelt. Zumindest wäre an dieser Stelle eine Übersetzung vieler Begriffe wie Treantaza, Mealan, Sterz, heindeln, katatschen, Keusche, Pleabal, Lindes, Frank oder Fleiden sinnvoll gewesen, die kaum jemand versteht.
Das Buch „Schief gewachsen – wenn Wurzeln keinen Halt finden“ dürfte sowohl für Alte, wie auch für Junge interessant sein. Die ältere Generation wird sich an vieles erinnern können, was sie oftmals krampfhaft verdrängt haben und sie werden mit Wehmut an „alte Zeiten“ zurückdenken, während viele junge Menschen kaum etwas über ihre Vorfahren wissen, was in einigen Fällen nicht schaden würde.
Schief gewachsen – wenn Wurzeln keinen Halt finden von Hemma Schliefnig
Books on Demand 2013
Broschur
116 Seiten
ISBN 978-3-7322-3036-5