Ein mysteriöser Mord auf Värmdö
Emelie Jansson arbeitet in der renommierten Kanzlei Leijon in Schweden und hat gerade ihre Zulassung als Anwältin erhalten, als sie einen Anruf aus dem Untersuchungsgefängnis erhält: Auf der Insel Värmdö wurde in der vergangenen Nacht ein Wachmann zu einer Villa gerufen und fand dort einen ermordeten, schrecklich zugerichteten Mann. Benjamin Emanuelsson, der mutmaßliche Täter, sei offenbar auf der Flucht mit seinem Auto unweit der Villa in einen Graben gestürzt. Dabei habe er sich eine Schädelverletzung mit Gehirnblutungen zugezogen. Er sei bewusstlos und nur gelegentlich ansprechbar, habe jedoch Emelie Jansson als seine Verteidigerin angefordert. Bei ihrem Besuch erwähnt Benjamin lediglich den Namen „Teddy“.
Verbindungen zur Vergangenheit
Teddy Maksumic, der sich von seiner kriminellen Vergangenheit losgesagt hat, arbeitet ebenfalls für die Kanzlei Leijon. Emelie ruft ihn an und fragt, ob er Benjamin Emanuelsson kennt – dessen Verteidigung sie ohne das Wissen ihres Chefs Magnus Hassel übernommen hat. Teddy kannte Benjamins Vater, Mats Emanuelsson, der vor neun Jahren entführt wurde und sich einige Jahre später das Leben nahm. Um Emelie zu unterstützen, erzählt Teddy ihr, dass er damals an der Entführung beteiligt war und von seinem Auftraggeber hintergangen wurde. Um seine Schuld gegenüber der Familie Emanuelsson zu begleichen, möchte er wenigstens dem Sohn Benjamin helfen.
Gemeinsam suchen Emelie und Teddy nach einem Zusammenhang zwischen den lange zurückliegenden Ereignissen und dem Mord auf Värmdö. Besonders drängt sich ihnen die Frage auf, wer der übel zugerichtete Tote ist. Neben den Sorgen um seinen Neffen Nikola, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und erneut in eine kriminelle Handlung verwickelt ist, muss Teddy um sein Leben fürchten – jemand hat versucht, ihn umzubringen. Auch Nikola fordert Emelie als Verteidigerin an.
Wechselnde Perspektiven und düstere Enthüllungen
In seinem Thriller Schweigepflicht* wechselt Jens Lapidus in den Kapiteln zwischen den Geschehnissen um Nikola, dessen Onkel Teddy und der Strafverteidigerin Emelie. Trotz ihrer Unerfahrenheit tritt Emelie selbstbewusst auf und steht ihren Mandanten bei – auch wenn sie deshalb mit einer Kündigung durch ihren Chef Magnus Hassel rechnen muss. Zusätzlich ziehen sich Gesprächsprotokolle durch den Plot, die Joakim Sundén mit dem spielsüchtigen und hoch verschuldeten Mats Emanuelsson vor dessen Suizid geführt hat.
Authentizität und sprachliche Raffinesse
Jens Lapidus ist selbst einer der angesehensten Strafverteidiger Schwedens, was dem Thriller eine hohe Authentizität verleiht. Indem sich der Autor sprachlich seinen kriminellen Figuren anpasst – für sie heißt es etwa „hundert fucking Prozent“ – entsteht beim Lesen der Eindruck, es handle sich um die Wiedergabe einer realen Straftat. Der Autor gewährt tiefe Einblicke in die Strukturen der organisierten Kriminalität und informiert über die schwedische Gesetzgebung, bei der die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei während der Voruntersuchungen strengster Geheimhaltung unterliegen. Weder die verdächtige Person noch der Anwalt erfahren vor Abschluss der Untersuchungen Details zum Fall.
Auf geradezu geniale Weise lässt Jens Lapidus seine Protagonistin ein Kreuzverhör führen. Bereits ab den ersten Seiten ist das Interesse des Lesers am Fortgang der Handlung geweckt. Die Ereignisse verdichten sich, der Plot wird zunehmend spannender und wartet mit einigen Überraschungen auf.
Fazit: Ein Thriller der Extraklasse
Schweigepflicht* ist ein Ausnahmethriller der ganz besonderen Art – intensiv, authentisch und voller Wendungen. Ein Werk, das seinesgleichen sucht.
Schweigepflicht von Jens Lapidus
Übersetzung von Susanne Dahmann
btb Verlag 2019
Klappenbroschur
640 Seiten
ISBN 978-3-442-71819-1