Die fremde Tochter von Anja Jonuleit

Die fremde TochterDer Teemeister Cho führt ein eigenes Teehaus in Paris auf dem Montmartre. Eines Tages bittet eine Dame darum, von ihm in die Teezubereitung nach Gongfu Cha, einer speziellen Zubereitung nach chinesischer Tradition, eingewiesen zu werden. Da sie sich nicht abwimmeln lässt, gibt er ihr einen Termin. Doch ihr kurzer Besuch lässt Cho fortan nicht mehr zur Ruhe kommen: Die Dame hat behauptet, seine Tochter zu sein! Cho erinnert sich, wie er vor über drei Jahrzehnten als Teemeister in China Schülerinnen in die Geheimnisse der Teezubereitung unterrichtet hat. In eine von ihnen, in die junge Émilie, hat er sich verliebt. Von ihrer Mutter wurde sie nach Paris zurückgerufen, wollte jedoch unbedingt wieder zu ihm zurückkehren. Obwohl er jahrelang nach ihr suchte, hat er nie wieder etwas von ihr gehört.

Da „Die fremde Tochter“ keinen Namen genannt hat, macht sich Cho auf die Suche nach ihr. Seine Nachforschungen führen ihn zu Claire Laurent, die Fahrerin des Autos, mit dem die Unbekannte zu ihm kam. Über Umwege erfährt er, dass es sich dabei um Lin, die Tochter eines traditionsreichen Teehauses handelt, das schon seit Jahren versucht ihn anzuwerben. Als er sie dort aufsuchen will, wird ihm mitgeteilt, dass sie die Teeanbaugebiete Asiens bereist. Doch von Claire erfährt Cho, dass Lin in keiner Passagierliste aufgeführt wird und sie sich große Sorgen um ihre Freundin macht, die spurlos verschwunden scheint. Cho nimmt die angebotene Stelle beim Teeimperium an, wo auch Teemeister Niki davon überzeugt ist, dass etwas an der Geschichte nicht stimmen kann, denn seit Lins Geburtstag ist auch ihre Mutter Émilie spurlos verschwunden.

Anja Jonuleit erzählt ihren Roman „Die fremde Tochter“ in zwei Handlungssträngen. In dem aktuellen Geschehen geht der Teemeister Cho mit detektivischem Gespür vor und macht sich gemeinsam mit Niki auf die Suche nach seiner Tochter Lin und ihrer Mutter Émilie, seiner großen Liebe, von der er nicht einmal weiß, ob sie noch lebt. In Rückblicken, die an dem Punkt ansetzen, als die fast volljährige Émilie nicht mehr bei ihren Eltern wohnen will und stattdessen auf die Kunstakademie möchte, erzählt die Autorin von den dramatischen Ereignissen, die das Leben ihrer Protagonistin erschüttern.

Von den ersten Seiten an vermag Anja Jonuleit den Leser an den Plot zu fesseln, der es in Punkto Spannung mit jedem Krimi aufnehmen kann. Zudem darf er sich auf einige Überraschungen bei der raffiniert angelegten Geschichte freuen, die ihm kaum eine Lesepause gönnt. Je mehr Cho in Erfahrung bringt, je weniger versteht er die Zusammenhänge und ihn quälen die schlimmsten Befürchtungen. Die Recherchen führen ihn in ein dunkles Kapitel und schmutzige Geschäfte, die auch in der Realität nur so lange unentdeckt bleiben und weitergeführt werden können, wie ein Täter einen anderen deckt oder sogar Beweismittel verschwinden. Der faszinierende und zutiefst bewegende Roman ist von der Autorin in einem flüssigen Schreibstil verfasst und sorgt trotz zunehmender Spannung immer wieder mit einer „Teepause“ für Ruhepunkte.

Die fremde Tochter von Anja Jonuleit

Die fremde Tochter
dtv 2019
Taschenbuch
398 Seiten
ISBN 978-3-423-21768-2

Bildquelle: dtv
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