Teuflischer Walzer von Frank Tallis

Ein Fall für Max Liebermann!

Teuflischer WalzerIn Wien wird in einer verfallenen Klavierfabrik ein toter Mann gefunden, dessen Gesicht mit Säure bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist. Vor dem auf einem Stuhl sitzenden Toten fallen Inspektor Oskar Rheinhardt und seinem Assistenten Haussmann drei Stühle auf, die bei ihnen den Verdacht eines abgehaltenen Ehrengerichts wecken. Die Obduktion ergibt, dass der durch einen Kopfschuss Getötete am Rücken Peitschenhiebe sowie Schwimmhäute zwischen den Zehen aufweist. Um die Identität des Ermordeten aufzudecken, bittet Rheinhardt seinen Freund und Psychiater Maxim Liebermann, mit dem er die Liebe zum gemeinsamen Singen und Klavier spielen teilt, ihn als medizinischer Berater zu unterstützen.

Überraschend meldet sich Lutz Vilmos Globocnik und behauptet, der Tote sei Helmut Bok und er selbst sein Mörder. Doch bei der Vernehmung stellt sich heraus, dass dieser an einer Pseudologia phantastica, dem pathologischen Lügen, leidet. Erst durch die Aussage einer Prostituierten, die sich an einen Kunden mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen und der Vorliebe, sich mit einer Reitgerte schlagen zu lassen, erinnert, werden die Ermittlungen vorangetrieben. Ein weiterer Mord weist auf denselben Mörder. Doch als Rheinhardt glaubt, diesen schon gefunden zu haben, verlangt der für seine Aussage eine neue Identität, da sein Leben auf dem Spiel stehen würde. Endlich verfolgen die Ermittler eine heiße Spur, da kommt Rheinhardt der Geheimdienst in die Quere. Während der gerne die Folter anwenden würde, setzen Rheinhardt und Liebermann in Zusammenarbeit mit Amalia, in die Liebermann verliebt ist, ihre Hoffnungen auf den neuartigen Kardiographen. Die Zeit drängt, denn alles deutet auf einen bevorstehenden Bombenanschlag eines von Fanatikern geleiteten Komitees, dessen Kopf Mephistopheles ist.

Frank Tallis beginnt seinen historischen Kriminalroman Teuflischer Walzer* anstelle eines Prologs mit einem Vorspiel, in dem die damalige Kaiserin Elisabeth von Österreich im Jahre 1898 durch einen Stich ins Herz tödlich verletzt wurde. Im weiteren Handlungsverlauf des Jahres 1904 treten weitere historisch belegte Personen wie ihr Ehemann Kaiser Franz Joseph und seine Geliebte Katharina Schratt auf; weiterhin der Wiener Psychologe Sigmund Freud, der im Plot über das Unbekannte fachsimpelt, sowie ein nicht näher benannter Mann namens Porsche, Gewinner eines Rennens am Exelberg, bei dem es sich nur um Ferdinand Porsche, den Gründer der Firma Porsche, handeln kann.

Der Wechsel zu immer wieder neuen Handlungspersonen und damit unterschiedlichen Handlungssträngen erfordert vom Leser erhöhte Konzentration, zumal er über weite Strecken weder den Bezug der Personen untereinander einordnen kann, noch die Bedeutung ihrer Handlungen: Mal ist von einem Mann die Rede, der eine Reise nach Russland gemacht hat und die „Leiden in der Welt lindern“ will, dann wird eine Frau verfolgt, die Hungrigen Essen bringt oder es geht um die Erpressung eines Professors. Nebenbei ist der Psychiater Liebermann in eine für die Anfang des 20sten Jahrhunderts ungewöhnlich emanzipierte Amalia verliebt, die für die Rechte der Frauen und ihre Gleichberechtigung kämpft, was ihre Vorstellung von sexueller Freiheit einschließt.

Der vielschichtige Kriminalroman Teuflischer Walzer* ist in einer Zeit angesiedelt, in der die Menschen unter ihrem Bett noch einen Nachttopf stehen hatten, ein Fotograf für eine Aufnahme unter einem schwarzen Tuch verschwinden und ein Kommissar noch einen Handspiegel unter die Nase von bewusstlosen Personen zur Unterscheidung von Leben oder Tod halten musste. Frank Tallis hat für seinen historischen Kriminalroman umfangreiche Recherchen auf den verschiedensten Fachgebieten betrieben und immer wieder Zeitgeschehen sowie musikalische Einlagen in die Handlung einfließen lassen. Die ungewöhnliche Zusammenarbeit eines raffiniert und besonnen agierenden Inspektors mit einem Psychiater sorgt für einen psychologisch ausgefeilten Plot, mit dem der Autor, selbst klinischer Psychologe, überzeugen kann.

Teuflischer Walzer von Frank Tallis

Teuflischer Walzer
btb Verlag 2019
Klappenbroschur
416 Seiten
ISBN 978-3-442-71615-9

Bildquelle: btb Verlag
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