Buchrezension: Die tote Schwester von Stephan Brüggenthies

Ein spannender Kriminalroman über Vergangenheit, Identität und Entführung

Buchcover des Kriminalromans Die tote Schwester

Ein Kommissar zwischen Erholung und neuer Bedrohung

Im Kriminalroman Die tote Schwester* von Stephan Brüggenthies ist Kommissar Zbigniew Meier vorübergehend vom Dienst bei der Kriminalpolizei Köln freigestellt, um sich von einem belastenden Fall zu erholen. Statt Ruhe gönnt er sich ein Abenteuer: Gemeinsam mit seiner erst 18-jährigen Freundin Lena fliegt der 38-jährige nach New York. Dort begegnen sie dem alten Mann Samuel Weissberg, der sie bei einer Kunstausstellung mit der Galeriebesitzerin Delia Johannsen bekannt macht. Samuel berichtet von seiner verschollenen Schwester Eva, die als Baby während der Flucht vor den Nazis auf einem Gehöft zurückgelassen wurde – seither fehlt jede Spur von ihr.

Rückkehr nach Köln: Die Spur von Lena verliert sich

Kaum in Köln gelandet, verschwindet Lena mitsamt Gepäck – Zbigniew war nur kurz auf der Toilette. War da nicht der geheimnisvolle Mann in Kufiya in New York? Wurde Lena entführt? Die Flughafenpolizei wird eingeschaltet, denn Überwachungskameras zeigen, wie Lena gewaltsam in ein Auto gezogen wird. Die Halterin – eine Afghanin – entpuppt sich als falsche Fährte. Immerhin erwähnt eine Bekannte von Lena, Edina, einen mysteriösen Schlüssel von Samuel Weissberg und einen Namen: Immermann 23. Das Gepäck taucht später in einem Waldstück auf – inklusive Ring und einer Notiz von Lena. Die Ermittlungen jedoch verlaufen zäh.

Auf eigene Faust: Zbigniews Suche nach der Wahrheit

Zbigniews Wunsch, in die offizielle Ermittlungsgruppe aufgenommen zu werden, bleibt unerfüllt. Mit Unterstützung von Tonia Lindner beginnt er selbst zu ermitteln. Samuel Weissberg scheint ebenfalls spurlos verschwunden – möglicherweise hängt Lenas Fall mit der Geschichte von Samuels Schwester Eva zusammen. Recherchen bei einem Wirtschaftsarchivar und einem Geschichtsforscher führen ihn bis auf einen Friedhof, wo ihm Ungereimtheiten auf dem Grabstein der Familie Weissberg auffallen. Immer wieder stößt er auf den Namen Paul Streithoff – den Vater der Galeristin Delia Johannsen.

Entführung, Banküberfall und ein dunkles Geheimnis

Ein spektakulärer Banküberfall, an dem Lena beteiligt sein soll, wirft neue Fragen auf. Eine zweite Entführung und ein Bekennerschreiben einer islamistischen Splittergruppe verkomplizieren den Fall. Was bedeutet Immermann 23? In einem abgelegenen Bauernhof erfährt Zbigniew neue Details. Eine DVD über Bücherverbrennungen der Nazis offenbart eine Überraschung, die nicht ins Bild passt. Die Spuren führen über Literatur zur Wahrheit – und ehe er sich versieht, wird ihm die Entscheidung, wie weiter vorzugehen ist, abgenommen.

Tiefgründige Themen und kritische Zwischentöne

Der Roman thematisiert ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte: Die Massenvernichtung im Dritten Reich. Brüggenthies’ akribische Recherchen bei Standesämtern und Suchdiensten sorgen für Authentizität. Auch die Verteilung von Lebensmitteln nach Kriegsende 1945 wird eindrucksvoll dargestellt – für manche vielleicht ausführlich, aber dramaturgisch stimmig. Der Afghanistan-Konflikt wird geschickt eingewoben, ebenso wie eine subtile Kritik an der anonymen Meinungsäußerung im Internet, die manipulierte Diskussionen begünstigen kann.

Fazit: Mehr als ein Krimi

Die tote Schwester* hebt sich von klassischen Kriminalromanen ab: Die Polizeiarbeit tritt in den Hintergrund, stattdessen stehen die psychologische Tiefe und Zerrissenheit des Protagonisten im Fokus. Zbigniew Meier ist keine stereotype Figur – und sein ungewöhnlicher Name bleibt im Gedächtnis.

Die tote Schwester von Stephan Brüggenthies

Buchcover des Kriminalromans Die tote Schwester
Eichborn Verlag 2011
Hardcover
440 Seiten
ISBN 978-3-821-86131-9

Bildquelle: Eichborn Verlag

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