Ein Flughafen als Zündstoff gesellschaftlicher Konflikte
Frankfurt beherbergt den drittgrößten Flughafen Europas. Doch während manche darin einen Fortschritt sehen, ist es für andere ein permanenter Störfaktor. Schon beim Antrag zur Startbahn West im Jahr 1965 kam es zu massiven Bürgerprotesten. Diese konnten jedoch die Eröffnung im April 1984 nicht verhindern. Die angespannte Lage kulminierte in einer Großdemonstration in Hanau am 8. November 1986, bei der zwei Polizisten ihr Leben verloren. Auch die 2011 eröffnete Startbahn Nord-West bleibt bis heute umstritten.
Vergangenheit, Proteste und ein Leben im Wandel
Karsten Kempf, eine fiktive Figur aus Gerd Fischers Kriminalroman Fliegeralarm*, wird in jungen Jahren durch die Geschehnisse rund um die Startbahnräumung erschüttert. Am sechsten Jahrestag der Hüttendorfräumung von 1987 eskaliert ein Polizeieinsatz, bei dem sein Freund Jens Ohlschläger stirbt. Die Erinnerung daran bleibt ein prägendes Element in Kempfs Leben und bildet einen dramatischen Rückblick im Roman.
Ein Sprung in die Gegenwart: Ein rätselhafter Suizidversuch
2012 wird Kommissar Andreas Rauscher während seiner Hochzeitszeremonie zu einem dramatischen Einsatz gerufen: Eine Unbekannte droht mit einem Sprung vom Dach der Uni-Mensa. Bei seiner Ankunft ist es bereits zu spät – sie liegt blutverschmiert am Boden. Ihre Mitbewohnerin wird als Irene Handke identifiziert, die sich im Koma befindet. Kurz darauf erhält das Präsidium ein makabres Paket mit einem menschlichen Ohr – und der Fall nimmt an Tiefe und Dramatik zu.
Drohungen, Erpressung und politische Verwicklungen
Die Ermittlungen führen Rauscher, Jan Krause und Ingo Thaler zum Sprecher der Bürgerinitiative „Ja Flughafenausbau“, Achim Thelen, dem ebenfalls ein Ohr abgetrennt wurde. Spuren führen zu Aktivisten rund um den Flughafen – darunter Peter Schulz. Überraschend wird ein zweiter Fingerabdruck gefunden, der die Ermittler sowie Klaus Markowsky von der Frankfurter Kripo aufhorchen lässt. Als schließlich der Politiker Robert Wentorff verschwindet und Erpresserbriefe eintreffen, in denen die Stilllegung der neuen Landebahn gefordert wird, schaltet sich auch das LKA ein.
Der Roman als Spiegel hessischer Identität
Gerd Fischer gelingt es, reale Proteste mit fiktiven Ereignissen zu verknüpfen. Die Zeitsprünge verdichten das Geschehen und erzeugen Dynamik, ohne die Leser:innen zu verwirren. In kursiven Passagen gibt der Erpresser selbst Einblick in seine Gedanken – ein erzählerischer Kniff, der trotz früher Entschlüsselung der Identität die Spannung nicht mindert.
Regionale Tiefe und kulturelle Einblicke
Neben politischer und kriminalistischer Handlung bietet der Roman viel Lokalkolorit: Von der Mumm-Villa über die Frankfurter Schoppenwirtschaft Buchscheer bis zum Mispelchen – einem Apfelbrand mit eingelegter Mispel – wird hessische Kultur greifbar. Auch die vom Fluglärm stark betroffenen Orte wie Flörsheim, der Lerchesberg oder die Mönchbruchwiese werden atmosphärisch dicht beschrieben.
Fazit: Ein Krimi, der nachhallt
Fliegeralarm* verbindet historisch fundierte Fakten mit einer spannungsgeladenen Handlung und bietet gleichzeitig gesellschaftliche Reflexion und kriminalistischen Nervenkitzel. Gerd Fischer beweist große Rechercheleistung, auch wenn sich kleinere Unstimmigkeiten – wie die Frage nach der Trauung unverheirateter Paare – finden. Wer nach dem Lesen ins Flugzeug steigt, wird den Frankfurter Flughafen mit anderen Augen sehen.