Elisabeth Herrmanns Thriller „Schatten der Toten“ – Agenten, Identitäten und dunkle Geheimnisse

Buchcover des Thrillers Schatten der Toten

Die Rosenholz-Dateien als Inspiration

Für Elisabeth Herrmanns Thriller Schatten der Toten haben die Rosenholz-Dateien Pate gestanden. Der Leiter der Forschungsgruppe Rosenholz beriet die Autorin bei der Ausarbeitung. Die Rosenholz-Unterlagen enthalten Personenkarteien des DDR-Auslandsgeheimdienstes und umfassen Zehntausende Klar- und Decknamen ehemaliger Stasi-Auslandsspione. Erst im Jahr 2004 standen sie für Ermittlungen zur Verfügung.

Verrat und Täuschung: Die Geschichte von Eva und Tom

Im Roman gibt die Stenotypistin Eva geheime Informationen ihres Vorgesetzten Werner Kellermann an ihren Geliebten Tom weiter – einen sogenannten Romeo-Agenten. Es geht um eine Schleusung, die von Quirin Kaiserley geplant wird. Eva ahnt nicht, dass Tom in Wirklichkeit Richard Lindner heißt, Auslandsaufklärer der Stasi ist und mit seiner Ehefrau Irene sowie Tochter Christina in die BRD geschleust werden soll. Die Aktion misslingt: Irene wird getötet, Christina kommt in ein Heim, und Richard Lindner erhält unter dem Namen Bastide Larcan eine neue Identität.

Judith Kepler: Eine neue Identität und eine dunkle Vergangenheit

Auch Christina erhält eine neue Identität und heißt fortan Judith Kepler. Ihr Einlieferungsschein ins Heim wurde von Hubert Stanz unterzeichnet. Als Tatortreinigerin arbeitet sie bei Dombrowski, der ihr nach einem Herzinfarkt die Firma überlässt. Bei einer Buchvorstellung von Quirin Kaiserley, der über die alten Machenschaften schreibt, wird Judith an ihre Vergangenheit erinnert. Sie erhält Besuch von Isa, der Tochter von Eva und deren früherem Chef und späteren Ehemann Werner Kellermann. Isa arbeitet für den Verfassungsschutz und will den Aufenthaltsort ihres Vaters Richard Lindner alias Bastide Larcan erfahren, den sie unbedingt festsetzen möchte – zumal er ihr bereits einmal entkommen ist.

Odessa als Schauplatz der Wahrheitssuche

Am Sterbebett verrät Eva ihrer Tochter Isa ein Geheimnis. Über den Undercover-Agenten Frederik Meißner erfährt Isa von einer Waffenlieferung in die Ukraine nach Odessa. Sie plant, die Aktion vor Ort zu begleiten, da sich Bastide Larcan dort aufhalten soll. Beim Treffen mit Frederik wird sie von Judith beobachtet, die Frederik von früher kennt und ihn zur Rede stellt. Als Frederik bereits auf dem Weg nach Odessa ist, erkrankt seine Tochter schwer. Judith versucht vergeblich, Isa von der Dringlichkeit zu überzeugen, Frederik vom Einsatz abzuziehen.

Spannung ohne Pause: Der Plot verdichtet sich

Der seitenstarke Thriller gönnt dem Leser kaum Verschnaufpausen. Jeder Szenenwechsel bringt neue Erkenntnisse und steigert die Spannung. Der Plot beginnt mit der Entführung eines kleinen Mädchens durch Bastide Larcan in Odessa. Er gibt sich gegenüber ihrem Vater, dem Milliardär Oleg Nikiforov, als Retter aus. Doch sowohl Nikiforov als auch sein Beschützer Mikhail bleiben misstrauisch.

Judiths Sorgen und Kellermanns Zweifel

Immer wieder erinnert Herrmann an die Sorgen, die Judith Kepler plagen: Sie kümmert sich um ihren schwerkranken Chef Dombrowski und um Frederiks Tochter. Um zu helfen, reist sie ebenfalls nach Odessa, wo Isa bereits ist. Schon vor deren Abreise hat Judiths Grabrede ihren Vater Werner Kellermann aufhorchen lassen. Seitdem plagt ihn die Frage, was seine Frau Eva ihrer Tochter am Totenbett anvertraut haben könnte. Hilfesuchend wendet er sich an Quirin Kaiserley und Hubert Stanz, der einst Judiths Heimeinweisung veranlasste.

Recherchiert und realitätsnah: Odessa als Kulisse

Die Autorin nimmt den Leser mit auf eine Reise nach Odessa, das sie selbst zu Recherchezwecken besucht hat. Mehrmals führt sie ihn zur berühmten Potemkinschen Treppe mit ihren 192 Stufen, die den Hafen mit der Innenstadt verbindet. Nebenbei vermittelt sie Hintergrundwissen – etwa über Felix Dzierzynski, den Gründer des sowjetischen Nachrichtendienstes, oder über einen Waffenraub aus der US-Panzerkaserne in Böblingen im Jahr 2016.

Fazit: Ein komplexer Thriller mit Tiefgang

Der Einstieg in den vielschichtigen Thriller Schatten der Toten*, der von alten Seilschaften ehemaliger Stasi-Angehöriger und deren Verbindungen zum BND oder Verfassungsschutz handelt, ist anspruchsvoll. Die Vielzahl der Figuren und ihre Verwicklungen erfordern Aufmerksamkeit. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit einem durchdachten, realitätsnahen und hochspannenden Geschehen belohnt – und mit der Erkenntnis, wie schnell ein Jäger im Agentenmilieu zum Gejagten werden kann.

Schatten der Toten von Elisabeth Herrmann

Buchcover des Thrillers Schatten der Toten
Goldmann Verlag 2019
Klappenbroschur
672 Seiten
ISBN 978-3-442-31392-1

Bildquelle: Goldmann Verlag

Teile diesen Beitrag