Piccolo Mondo Antico – Kleine alte Welt von Antonio Fogazzaro

Piccolo Mondo Antico - Kleine alte WeltDer nach sechsjähriger Arbeit im Jahr 1895 erschienene Roman Piccolo Mondo Antico* von Antonio Fogazzaro ist im Gebiet des Luganer Sees um die Mitte des 19. Jahrhunderts angesiedelt. Zu der Zeit gab es noch das Königreich Lombardo-Venetien, um nur ein Beispiel zu nennen, was für das Verständnis der politischen Verhältnisse der vom Autor beschriebenen Begebenheiten nicht unwichtig ist. Protagonist ist Don Franco Maironi, der schon frühzeitig seine Eltern verloren hat und deshalb unter der strengen Autorität seiner vermögenden und gläubigen Großmutter Marchesa Ursula Maironi steht. Nachdem sich in ihrem Hause unter anderem Pasotti eingefunden hat, der sich mit seiner tauben Ehefrau Barborin und einem Pfarrer in einem Boot über den Luganer See hat übersetzen lassen, verlässt Franco nach einem Eklat mit seiner Großmutter die Zusammenkunft: Sollte er Luisa Rigey heiraten, droht sie ihm mit Enterbung.

Doch der zurückgezogene Franco hat mit Hilfe des Pfarrers von Castello und des Bruders von Luisa, Ingenieur Pietro Ribera, eine heimlich stattfindende Trauung vereinbart, die noch am selben Abend vollzogen werden soll. Die noch verbleibenden Stunden verbringt er mit einem Schreiben an Monsignore Benaglia in der Hoffnung, dass dieser ihm später beistehen möge. Pietro, der für seine Nichte wie ein Bruder ist und sowohl sie, als auch ihre Mutter Teresa finanziell unterstützt, nimmt die Eheleute bei sich auf.

Prof. Gilardoni präsentiert Franco eines Tages ein offensichtlich unterschlagenes Testament seines Großvaters, in dem dieser sein restliches Vermögen seinem Enkel vermacht. Franco, der davon keinen Gebrauch machen will, bittet Gilardoni, das Papier zu vernichten. Pasotti, der nur des Geldes wegen die taube Barborin geehelicht hat und der Vertraute von Marchesa ist, wird von ihr mit Nachforschungen über Franco beauftragt. Eines Tages will die Polizei von Franco wissen, ob er feindliche Schriften gegen die Kaiserlich-Königliche Regierung besitzt und lässt das Haus durchsuchen. Franco wird zwar auf freien Fuß gesetzt, doch beschließt das Paar, das mittlerweile eine Tochter namens Maria hat, dass Franco für unbestimmte Zeit ins Piemont gehen soll, wohin ihn die Familie später folgen wird.

Was Franco jedoch nicht ahnt: Prof. Gilardoni hat das Testament nicht vernichtet und eilt damit heimlich zu Marchesa, der ihr Gewissen keine Ruhe mehr lässt. Das Drama nimmt seinen Lauf, indem Luisa sich enttäuscht zeigt, so lange von der Existenz nichts gewusst zu haben und just in dem Moment, als sie an Marchesa und Pasotti klärende Worte richten will, wird sie zu ihrem ertrunkenen Kind gerufen. Sie verliert den Glauben an die Existenz Gottes und sucht ihr Heil im Spiritismus. Franco fühlt sich unterdessen für die Befreiung Italiens von der österreichischen Besatzung berufen und bittet seine Ehefrau um ein letztes Wiedersehen, bevor er in den Krieg zieht.

Francos Großmutter Marchesa Ursula wird von Antonio Fogazzaro in der Weise charakterisiert, als einige gekommen waren, „neugierig, zu sehen, welchen Eindruck die Tragödie von Oria auf das Marmorgesicht der Alten gemacht hatte“. Dass ihr Enkelkind Maria mit gerade drei Jahren zu lange im Wasser gelegen hat und alle Wiederbelebungsversuche ohne Erfolg blieben, begreift sie als „eine von Gott geschickte Züchtigung“. Selbst ihr Diener deckt unmittelbar nach dem Tod der Kleinen auf Marchesas Anweisung „mit stummer Verachtung“ den Tisch für das Tarockspiel. Im Gegenteil dazu sehen Marchesa und Pasotti in das stolze Gesicht von Luisa, obschon sie „auf Tränen und Bitten gefasst waren“. Was Franco selbst betrifft, so hatte er zwar „den Doktortitel erworben, aber ohne irgendwelchen Nutzen daraus zu ziehen. Er misstraute seinen eigenen Fähigkeiten, er fühlte sich zu sehr Künstler…“

Der Roman Piccolo Mondo Antico*, der in einer sprachlich überarbeiteten Übersetzung aus dem Italienischen von Maria Gagliardi vorliegt und ohne Zweifel Anforderungen an den Leser stellt, bietet für heutige Verhältnisse wenig Handlung, die sich für an diesen Stil nicht Gewöhnte in die Länge zieht. Antonio Fogazzaro hat den Plot in bildreichen Umschreibungen verfasst. So ist mit dem Überbringen eines Zuckerplätzchens eine gute Neuigkeit gemeint und die Erklärung eines verschlagenen Gauners ist, dass dieser „von Natur neugierig wie ein Spürhund, der jeden Schmutz aufwühlt, seine Schnauze in jede Öffnung steckt und sie an jeder Hose abreibt“.

Luisa hat die im Roman erwähnten Schwestern Leah, Margaret und Catherine Fox als Geisterbeschwörerinnen verehrt, die tatsächlich behaupteten, von Verstorbenen aus dem Jenseits Klopfzeichen zu empfangen. Real ist auch die Person des Éliphas Lévi Zahed, der als Wegbereiter des modernen Okkultismus gilt. Weiter wird neben anderen politischen Ereignissen der in den seinerzeit österreichischen Provinzen Lombardei und Venetien ausgebrochene und im Jahr 1859 gewonnene Sardinische Krieg thematisiert. Eine Kernaussage des von Intrigen und Missverständnissen geprägten Romans ist, wie uns ein schlechtes Gewissen bis in unsere Träume verfolgen kann.

Piccolo Mondo Antico – Kleine alte Welt von Antonio Fogazzaro

Piccolo Mondo Antico - Kleine alte Welt
Übersetzung von Maria Gagliardi
Mediathoughts Verlag 2025
Hardcover
588 Seiten
ISBN 978-3-947724-54-3

Bildquelle: Mediathoughts Verlag

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