Straßenmusik von Markus Behr

Der Student Jonas kommt mit seinem Studium nicht so recht voran, da er unter Ängsten vor Referaten und Prüfungen leidet. Erst kürzlich kam es zwischen ihm und seiner Freundin Verena zu einer Trennung. Kurz darauf wird er als Bassist von Kasimir auch noch aus der auf Erfolgskurs stehenden Band Wunderwerk geschmissen. Jonas ist das alles zu viel und setzt sich kurzentschlossen in einen Zug nach Amsterdam. Unterwegs kann er sich allerdings nicht verkneifen, einen großen Auftritt von Wunderwerk mit dem neuen Bassisten über sein Smartphon live zu verfolgen. Am Ziel kommt er in einem Youth Hostel mit sieben anderen Leuten unter.

Die unter Neurodermitis leidende, lesbische Chiara sitzt ebenfalls im Zug nach Amsterdam. Nach dem Zerwürfnis mit ihrer Freundin Merle hatte sie das Angebot ihrer Schwester Hanna, bei deren Freundin Nadine unterzukommen, dankend abgelehnt. Sofort nach ihrer Ankunft in Amsterdam spielt Chiara als Straßenmusikerin auf ihrer Gitarre und lernt dort Yuka, Amy und Mariah kennen, die sich ein Appartement teilen, in dem auch für Chiara Platz ist. Zuvor kehren sie ins Cafe ‚t Mandje ein, wo Chiara ihre Gitarre vergisst.

Noch am selben Abend kommt Jonas in die Kneipe, sieht das zurückgelassene Instrument und nimmt es in redlicher Absicht an sich. Doch noch bevor er die Besitzerin ausfindig machen kann, sieht Chiara ihn singend und auf ihrer Gitarre spielend auf der Straße. Rüde und abweisend reißt sie das Instrument an sich und schreit ihm im Weggehen entgegen, dass er sie in Ruhe lassen soll. Erst später bemerkt sie seine Notiz auf der Rückseite eines sich in der Gitarrenhülle befindlichen Bildes, in der er sich für die verspätete Rückgabe entschuldigt, was sie milde stimmt.

Als Chiara am nächsten Tag Jonas wiedertrifft, bittet sie ihn, noch einmal das Lied von gestern zu spielen. Sie tauschen ihre Handy-Nummern aus und Jonas fragt in seiner ersten Nachricht, ob sie nicht „zusammen Musik machen“ wollen. Sie üben Stücke ein, die von den Passanten mit Begeisterung aufgenommen werden. Die WG-Mitbewohner von Chiara laden davon ein Video auf Youtube hoch, und während Jonas zurück nach Hannover reist und Chiara ein Studium in Münster aufnimmt, nehmen die Klicks zu.

Wie der Titel „Strassenmusik“ vermuten lässt, spielen musikalische Inhalte im Plot eine tragende Rolle. Markus Behr hat sich nicht nur darauf beschränkt, seine beiden Straßenmusikanten irgendetwas spielen zu lassen, sondern benennt Titel und Sänger wie beispielsweise Billie Jean von Michael Jackson oder Pale Shelter von Tears For Fears. Zudem gibt er dem Leser noch Hintergrundinformationen. Das legendäre Cafe ‚t Mandje im Herzen von Amsterdam, in dem Chiara ihre Gitarre zurücklässt, gibt es übrigens tatsächlich.

Jonas wie auch Chiara sind stets unsicher und zweifeln an der Richtigkeit ihrer Entscheidungen, wobei Jonas immer dann keinen Ton mehr herausbringt und stottert, wenn er verunsichert oder nervös ist, während Chiara sich nicht gut unter Kontrolle hat und schnell aufbraust, was ihren der Neurodermitis geschuldeten Juckreiz nur verschlimmert. Markus Behr lässt seine Protagonisten immer wieder einen Blick in ihre Vergangenheit werfen und gibt einzelne Szenen jeweils aus deren Blickwinkeln einschließlich ihrer Gedanken zum aktuellen Geschehen wieder. Als studierter Anglist hat der Autor ein wenig mit den eingebauten englischsprachigen Sätzen übertrieben, und vielleicht weiß auch nicht jeder, dass ein Youth Hostel für Jugendherberge steht. Doch wer sich daran nicht stört, wird mit einem literarischen Werk über zwei Straßenmusiker belohnt, die nur durch die gemeinsame Liebe zur Musik zusammengefunden haben.