Interview mit Michael Wyhnal, dem Autor von Oberflächenmensch

Michael Wyhnal
Bildquelle: Michael Wyhnal
Michael Wyhnal wurde am 28. September 1988 in Wien geboren, wo er auch heute noch lebt. Schon seit seiner Kindheit gehört das Lesen und Schreiben zu seinen Hobbys. Sein kritisches Augenmerk richtet er auf die Entwicklung in unserer Gesellschaft und will als einer, der seinen eigenen Weg geht, nicht in der breiten Masse untergehen. Nach seinem Abschluss an der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Biedermannsdorf hat er in diesem Jahr seinen ersten Roman Oberflächenmensch veröffentlicht.

Servus Michael! Ich hoffe, dass es in Ordnung ist, wenn ich einfach du sage! Du bist ja noch keine 24 Jahre und hast schon einen Roman hingelegt, dem ich eher einem älteren Semester zuordnen würde. Beispielsweise wendest du zumindest immer dann, wenn es sich nicht um eine wörtliche Rede der durchweg jungen Leute in dem Roman handelt, eine für dein Alter ausgesprochen gehobene Sprache an. Mich hat das schon erstaunt und mich stellenweise an den Schreibstil von Adalbert Stifter erinnert! Könnte er oder ein Zeitgenosse dafür Pate gestanden haben?

    Hallo, Beatrix! Das Du-Wort ist selbstverständlich in Ordnung! Witzig, dass du den Vergleich mit Adalbert Stifter ziehst, denn selbige Beobachtung hat einer meiner Verwandten ebenfalls gemacht. Bisweilen habe ich aber leider keines seiner Werke gelesen – nachdem dieser Schriftsteller aber schon zwei Mal im Zusammenhang mit meinem Namen gefallen ist, werde ich kaum umhinkommen, dies in absehbarer Zeit zu ändern. Um aber auf die eigentliche Frage einzugehen: Mir gefällt es, gewissermaßen mit Sprache zu spielen, Dinge auszuprobieren und meinen eigenen Stil zu kreieren, um letztendlich ein Werk zu schaffen, das ich – auch nach Jahren noch – immer wieder selbst gerne lesen würde. Dahingehend stelle ich hohe Ansprüche an mich selbst, auch, weil es zunehmend schwieriger wird, aus der Masse hervorzustechen. Trotzdem muss der Lesefluss gegeben sein, ich möchte es also den Lesern – nicht zuletzt durch einige humoristische Einlagen – einfach machen, sich auf meinen Stil einzulassen und von den Worten gefesselt zu werden. Im Unterbewusstsein wird man bestimmt von zahlreichen anderen Büchern und Autoren geprägt und beeinflusst, mit denen man sich über die Jahre hinweg beschäftigt hat, und Oberflächenmensch ist letztendlich als Summe dieser einzelnen Elemente hervorgegangen. Autoren, denen ich nacheifern möchte, gibt es aber nicht, dafür lege ich zu großen Wert auf Eigenständigkeit.

Zunächst will ich noch einmal kurz auf Adalbert Stifter zu sprechen kommen: Ich selbst kenne von ihm Der Nachsommer. Ein Werk, das viele verteufeln, besonders wenn es in ihrem Studium eine Pflichtlektüre ist. Ich habe diesen Roman zwei Mal gelesen, darüber eine Rezension geschrieben und bin von dem Werk begeistert! Einfach, weil es anders ist und auf eine ganz eigene Art fesselt. Und – wenn ich das mal so sagen darf – genau das ist es auch, was deinen Roman zu einem ganz besonderen macht!

    Danke für die Blumen! Mir war von Anfang an klar, dass ich kein massentaugliches Werk schreibe, denn in erster Linie habe ich die Geschichte für mich selbst verfasst, und mein Herzblut nicht darauf fokussiert, zwanghaft möglichst vielen Menschen zu gefallen. Es handelt sich vor allem um ein ehrliches Werk, das auch einige meiner Gefühle preisgibt und daher ein eigenes Flair aufweist. Meine Neugierde im Bezug auf Herrn Stifter hast du übrigens erneut angefacht, ich werde mir bestimmt deine Rezension durchlesen und daraufhin Ausschau nach dem Buch halten.

Einem Zeitungsartikel habe ich entnommen, dass du lange an der Charakterentwicklung deines Protagonisten gearbeitet hast. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es heute noch so einen jungen Mann mit 20 Jahren geben soll, der sich vor lauter Schüchternheit kaum traut, ein Mädchen anzusprechen. Deshalb würde mich interessieren, wie du diese Person „geschaffen“ hast. Es ist ja bekannt, dass die meisten Romanfiguren real existierende Personen zum Vorbild haben. Ist das in diesem Fall auch so, dass der Lebensweg des Protagonisten einer realen Person ähnelt?

    Es war mir wichtig, einen Charakter zu schaffen, der möglichst im Gedächtnis bleibt und daher auch nicht unbedingt in jeder Hinsicht der Norm entspricht. Gerade in diesen modernen Zeiten, in denen man sich kaum entscheiden kann, welchem Trend man denn aktuell wieder folgen soll, fand ich es spannend, einen Protagonisten zu schaffen, der sich mit den modernen Gegebenheiten nicht immer abfinden möchte. Dabei sollte kein weinerlicher Einzelgänger entstehen, der sich mitleidvoll an seine Umwelt oder gar den Leser anbiedert, sondern ein ambitionierter, junger Mensch, der seinen eigenen Weg bestreiten möchte, aber weder rücksichtslos noch kaltherzig agiert, sondern eine breite Palette von Emotionen zu bieten hat. Das Gefühlschaos, das den jungen Mann beherrscht, stiftet zuweilen ja auch gewaltig Verwirrung und entspricht so gar nicht der vermeintlich abgebrühten Facebook-Generation, wie wir sie kennen. Was die Facetten dieses Charakters betrifft, habe ich mich an Eigenheiten aus dem Bekanntenkreis aber auch an Elementen bedient, die meinem eigenen Charakter zueigen sind. Der Haufen wurde gewissermaßen einem Fleischwolf übergeben, der ordentlich gewütet und letztendlich den Hauptcharakter ausgeworfen hat.

Und das ist dir ja auch sehr eindrucksvoll gelungen! Nun hast du dem Protagonisten kein Gesicht gegeben. Der Leser erfährt nichts über seinen Kleidungsstil, sein Aussehen – er hat nicht einmal einen Namen. Weshalb hast du darauf verzichtet, dem Leser mehr über den Protagonisten zu verraten?

    Das ist einem Experiment geschuldet. Ich habe mir gedacht: Warum nicht einmal auf diese Nebensächlichkeiten verzichten? Für das Verständnis der Figur sind diese Faktoren nicht von Bedeutung, beziehungsweise könnte dieser Charakter für jeden stehen, der sich mit unserer modernen Welt nicht ganz abfinden möchte. Zudem wollte ich beobachten, ob es den Leser stört, wenn man die von dir genannten Selbstverständlichkeiten einfach ausblendet und im Ungewissen lässt. Meinen bisherigen Erfahrungen zufolge ist diese Vorgehensweise vielleicht ab und an auf Erstaunen, aber nicht auf Unverständnis gestoßen. Gleiches gilt auch für die Schauplätze der Geschichte. Diese werden nicht genannt, was mir zugegebenermaßen einen bequemen Handlungsspielraum beschert, da ich mich nicht an der Geografie vorhandener Orte orientieren muss. Auch hierbei gilt: Es könnte überall passieren.

Fast hätte ich in meiner Frage schon eine ähnliche Formulierung als Antwort vorgegeben, was ich dann aber natürlich nicht getan habe, denn sonst hätte ich mit dieser Suggestivfrage deine Antwort beeinflussen können.
In der Regel ist vom Autor eine Identifizierung des Lesers mit der Romanfigur gewünscht oder beabsichtigt. Da der Roman das Leben eines jungen Studenten beschreibt und du selbst gerade auch erst deine Matura hinter dich gebracht hast, wären eigentlich junge Leute die Zielgruppe. Siehst du das so? Und welche Botschaft willst du den Lesern mit dem Roman vermitteln?

    Ich denke auch, dass sich vorwiegend junge Leute in dieser Geschichte einfinden werden, allein schon aus dem Grund, da jugendliches Gefühlschaos in vielerlei Hinsicht zelebriert wird. Trotzdem können auch ältere Leser Gefallen daran finden, immerhin möchte ich mit dem Buch auch ein modernes Bild unserer Gesellschaft zeichnen, was prinzipiell in fast jeder Altersstufe Anklang finden dürfte – man verschließt ja mit zunehmendem Alter nicht unbedingt immer die Augen vor der Gegenwart und trauert alten Zeiten hinterher. Im Roman stelle ich die heutigen Gegebenheiten aus einer vorwiegend ironischen Perspektive dar, trotzdem lugen auch immer wieder die ernsten Töne um die Ecke und Kritik an unserer Gesellschaft wird laut. Wenn man über unsere modernen Zeiten nachdenkt, fällt auf, dass alles schnelllebiger und unübersichtlicher wird. Reizüberflutung ist allgegenwärtig, technischer Fortschritt gewährt uns alle erdenklichen Freiheiten, wir werden mit Unmengen an Informationen überhäuft. Auch wenn unser Leben in mancherlei Hinsicht bequemer wird, bin ich mir nicht sicher, ob es mir gefällt, in welche Richtung sich diese Welt entwickelt. Gerade für junge Menschen – und dies beginnt quasi mit dem Schuleintritt – ist die Zeit des Heranwachsens mit Druck von allen Seiten verbunden: Leistungszwang, Gruppendruck, jeder muss das Neueste vom Neuen besitzen, um nicht als Außenseiter gebrandmarkt zu werden. Der Hauptcharakter im Buch kämpft um sein Bestehen im unübersichtlichen Dschungel der Moderne, doch auch wenn sein Gefühlsleben und seine Handlungen ab und an zum Schmunzeln und Kopfschütteln anregen, stellt er manche Aspekte unserer Moderne infrage und regt uns zum Nachdenken an. Und dies ist mein Ziel: Ich möchte, dass die Leser mitfiebern und sich bei der Lektüre eigene Gedanken machen. Wenn ich dies erreicht habe, wenn der Leser sein Buch nach Beendigung des Leseabenteuers weglegt, die Geschehnisse Revue passieren lässt und Rückschlüsse auf seine eigene Umwelt oder gar sich selbst zieht, habe ich mein Ziel erfüllt. Auch wenn Oberflächenmensch vorwiegend zur Unterhaltung dient, ist eine intensivere Beschäftigung mit dem Stoff ein bedeutender Nebenaspekt.

Zumindest was mich selbst betrifft, kann ich sagen, dass mich dein Roman noch lange beschäftigen wird und das ist wohl mit der wichtigste Punkt, den ein gutes Buch ausmacht.
Es ist schon richtig, dass unser Leben bequemer wurde und ich verzichte selbst auch nicht auf alle Errungenschaften. Aber beispielsweise kommen mein Partner und ich gut ohne ein Kraftfahrzeug und einen Fernseher aus.

    Freut mich, dass die von mir beabsichtigten Nachwirkungen eingetreten sind. Hoffentlich wird es einigen weiteren Lesern ähnlich ergehen. Respekt, dass ihr ohne derartige Dinge auskommt, die in nahezu jedem Haushalt in unseren Breiten als Selbstverständlichkeit gelten. Ich selbst zähle auch nicht zu den passioniertesten Autofahrern, aber hin und wieder komme ich nicht umhin, ins Automobil zu steigen, da das öffentliche Verkehrsnetz nicht alle Regionen optimal abdeckt. Ohne Fernseher könnte ich allerdings nicht leben, da ich ein sehr großer Filmfan bin und häufig Sportübertragungen verfolge. Unleugbare Tatsache aber ist, dass die Qualität des Programms in vielen Fällen zu wünschen übrig lässt, und wir ein unwahrscheinliches Maß unserer Freizeit damit vergeuden, uns mit Schwachsinn bestrahlen zu lassen. Daher nehme ich von der überwiegenden Mehrheit der offerierten Sendungen einen beträchtlichen Respektabstand ein.

Im Programm des Novum Verlages ist das Buch in der Kategorie Humor/Satire zu finden. Sicher enthält der Roman Passagen wie die quälende Darmentleerung des Protagonisten, bei der man Tränen lachen muss. Obwohl von Anfang bis Ende bissige Untertöne und einzigartige geniale Umschreibungen im Text zu finden sind, halte ich diese Kategorie nicht für passend. Stimmst du mir da zu?

    Darüber lässt sich freilich streiten. Ich selbst würde es in erster Linie als satirischen Roman betrachten, allerdings – wie auch bereits erwähnt – schlägt die Geschichte ebenso allerhand ernste Töne an und im weiteren Verlauf der Handlung spitzen sich die Ereignisse zu. Daher denke ich, man einigt sich am besten darauf, dass sich Oberflächenmensch nicht in eine einzelne Schublade pressen lässt, sondern Mut zur Vielfalt beweist und sich einer einzigen Kategorisierung verweigert. Zur Orientierung hat man nun eben die Bezeichnung Humor/Satire gewählt, auch wenn diese bestimmt nicht zu hundert Prozent zulässig ist. Bliebe eigentlich nur die Kategorie „Sonstige Literatur“, wobei diese möglicherweise Gefahr läuft, zu wenig Beachtung geschenkt zu bekommen. Daher belässt man es bei der vorhandenen Einordnung. Es liegt im Endeffekt sowieso an jedem einzelnen Leser selbst, das Werk mit all seinen Aspekten zu entdecken.

Wobei kommen dir die besten Gedanken und Einfälle? Machst du dir dann sofort Notizen, die später ausgearbeitet werden? Oder muss alles erst im Kopf fertig sein, um dann zu Papier gebracht zu werden?

    Bei Oberflächenmensch hatte ich eine Grundidee in der Schublade, die bereits aus Schulzeiten rührte und dann relativ spontan wieder aufgegriffen wurde. Das fertige Werk hat mit den ursprünglichen Einfällen aber relativ wenig gemein, da sich das meiste erst im Schreiben entwickelt hat. Zu etwaigen Ideen fertige ich mir Notizen an, die dann die Eckpfeiler der Geschichte darstellen. Was aber auch nicht immer sein muss, denn manchmal nehmen die Dinge eine überraschende Eigendynamik an und entwickeln sich quasi von alleine. Im Zuge des Schreibprozesses gab es eigentlich kaum eine quälende Sekunde, in der ich mir das Hirn zermartern musste, wie die Handlung weitergeht. Soviel kann ich aber verraten: Das Ende war mir bereits sehr früh bekannt.

In deiner Freizeit interessierst du dich für Fußball und hörst gerne Musik, die nicht gerade in den aktuellen Charts steht. Wie verbringst du deine Urlaube? In Wien gibt es für dich bestimmt nichts Neues mehr zu entdecken. Zieht es dich eher an einen der vielen Badeseen oder hoch hinaus, auf die Dreitausender?

    Der Urlaub, wie er in Oberflächenmensch zu Beginn beschrieben wird, ist im Grunde eine witzige Anspielung auf meine eigene Urlaubsunlust, denn ich bin nicht unbedingt der Typ, der viel herumreist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ich keine Neugierde im Bezug auf andere Regionen und Städte empfinde, denn träge wird man niemals weise, wie es heißt. Eine Woche in Cambridge, die ich mit meiner damaligen Schulklasse verbracht habe, ist mir beispielsweise besonders gut in Erinnerung geblieben. Was ich auf jeden Fall behaupten kann, ist, dass ich kein Strandurlauber bin, denn das wäre mir persönlich auf Dauer etwas zu langweilig. Warten wir also ab, wohin es mich noch verschlagen wird. wobei ich es zu Hause immer noch am schönsten finde.

Meine letzte Frage zielt darauf, ob du schon Pläne für ein weiteres Buch gemacht hast. Und ob du in dem Fall, wie ich vermute, dieses Mal hoffst, einen Verlag zu finden, der die Druckkosten tragen wird?

    Das Manuskript des zweiten Projektes, das ich verwirklichen wollte, ist seit einigen Wochen fertig. Nachdem es eine Handvoll Leute gelesen haben, gelten die nächsten Schritte dem Verfassen eines möglichst aussagekräftigen Exposes. Auf jeden Fall möchte ich all meine Chancen ausloten, um den nächsten Meilenstein zu erreichen und einen größeren Verlag anzusprechen. Ich unterstehe keinem Druck, daher ist die Zeit auf meiner Seite.

Dann darf ich für dich hoffen, dass noch viele Leser den Weg zu deinem Buch finden und dass du für dein nächstes Projekt auf das Wohlwollen eines großen Verlages triffst. Vielen Dank für die Bereitschaft zum Interview, alles Gute und fürti!

    Auch ich danke! Servus!

Oberflächenmensch von Michael Wyhnal

Oberflächenmensch
Novum Pro Verlag 2012
Broschur
576 Seiten
ISBN 978-3-99026-300-6

Bildquelle: Novum Pro Verlag
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