Franka Frei wurde 1995 in Köln geboren und ist in Salzburg aufgewachsen. Ihren Bachelor hat sie im Fach Angewandte Medien abgeschlossen (aktuell studiert sie an der Humboldt-Universität zu Berlin Gender Studies im Master). Thema ihrer Arbeit „Enttabuisierung der Menstruation in Gesellschaft und Medien“. Neben zahlreichen Vorträgen, beispielsweise über die politischen Dimensionen der Periode, und Auftritten im In- und Ausland arbeitet sie als freie Journalistin und tritt bei Science Slams auf. Darüber hinaus hat sie sich als Autorin zunächst mit dem Sachbuch „Periode ist politisch: Ein Manifest gegen das Menstruationstabu“, in der Folge mit ihrem Debütroman Krötensex Medienpräsenz verschafft. Sie lebt in Berlin.
Zunächst einmal grüße ich dich herzlich!
Meine erste Frage betrifft deine Vita: Wie kam es, dass du zwar in Köln geboren, aber in Salzburg aufgewachsen bist, um letztlich in Berlin ein Studium aufzunehmen?
- Also, das war so: Ein Teil meiner Familie ist damals nach Salzburg gezogen, wo ich zur Schule ging und auch meine Matura gemacht habe. Im Anschluss wollte ich auf jeden Fall in eine internationale und große Stadt ziehen und ein Studium in Deutschland machen. Da es in die Richtung Journalismus gehen sollte, fiel meine Wahl auf Berlin.
Kommen wir zum Thema Menstruation: Da scheinst du auf deinem Steckenpferd zu reiten. Mit deinem Studienfach, den angewandten Medien, hat das nichts gemein. Gab es in deinem Leben ein Schlüsselerlebnis, das dich zu einer Aktivistin auf diesem Gebiet gemacht hat?
- Dazu kann ich sagen, dass ich mich schon immer für feministische Perspektiven interessiert habe und ich war mir darüber im Klaren, dass ich für meine Bachelorarbeit ein feministisches Thema wählen werde. Auf das Thema Menstruation bin ich gestoßen, weil mir selbst erst bewusst wurde, dass ich gar nichts darüber weiß, bevor ich nicht das Buch „Der Ursprung der Welt“ von Liv Strömquist gelesen habe. Das ist ein Comic und ich habe mich selbst dabei ertappt, dass ich es komisch fand, dass Liv Strömquist über Menstruation schreibt und zeichnet, wo ich selber so internalisiert hatte, dass das ein Thema ist, über das man nicht spricht, das nicht wichtig ist, auch ein bisschen ekelig ist und gar nicht der Rede wert ist irgendwie, warum sollen wir das auf den Tisch bringen, darüber muss man doch gar nicht reden, so ungefähr. Und da merkt man auch, dass ich es so verinnerlicht hatte, dass das etwas ist, was gerade aus „feministischer Perspektive“ nicht angesprochen werden soll, weil es vermeintlich etwas ist, was Frauen immer noch zurückhält und was man dann einfach nicht betonen will, so ungefähr.
Ich glaube, dass es daran lag: Das ist etwas, das kommt aus meiner Erziehung, ich weiß bis heute nicht, ob es wirklich so stimmt, aber das ist ein Grund, mit dem ich mir erkläre, dass ich lange Zeit dachte, darüber spricht man nicht. Ich habe das zum ersten Mal in dem Moment reflektiert und dachte hä, das kann doch gar nicht sein, und das wäre doch mal ein gutes Thema, das zu erforschen, was auch die Medien damit zu tun haben, denn die Medien haben ja sehr viel damit zu tun, wie unser Weltbild geprägt ist und welche gesellschaftlichen Normgrenzen uns eingeprägt sind, welche wir einhalten und welche reproduziert werden.
Kommen wir auf dein erstes Buch zu sprechen, wofür du dich auf eine Recherchereise nach Südasien begeben hast. Warum gerade dorthin und welche Erfahrungen hast du sammeln können?
- Meine Bachelorarbeit, nachdem ich sie fertig hatte, ging als Facebook-Post viral und ich bekam ganz, ganz viel Post von Menschen auf der ganzen Welt, über vierzigtausend Menschen haben den Beitrag gelikt und mehrere zehntausend geteilt und bald kamen auch viele Reaktionen und Nachrichten von Menschen aus anderen Ländern, insbesondere aus Südasien, wo es ganz ansehnliche Bewegungen von Menstruationsaktivistinnen gibt. Dort kam ich dann in Kontakt gerade mit Menschen aus Pakistan, Indien, Nepal und Bangladesch, mit denen ich mich digital unterhalten habe. Die haben mich dann auch teilweise eingeladen. Das Angebot habe ich angenommen und bin dort ein halbes Jahr herumgereist und habe quasi alle einmal besucht.
Und das hast du alles in noch so jungen Jahren gemacht, ganz alleine. Alle Achtung – das ist schon beachtlich! Wie sieht es denn in anderen Kulturen aus? Wie verhalten sich die Frauen dort, wenn sie „ihre Tage“ haben?
- Ich kann nicht über andere Kulturen sprechen, erst recht nicht in so einer verallgemeinerten Form. Ich glaube, dass das etwas sehr Individuelles ist. Also Kultur ist ja auch sehr unscharf definiert als Begriff. Die Umgangsweise in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen, könnte ich sagen, ist oft ähnlich in der Form, dass es bestimmte Ausgrenzungsmechanismen gibt für Menstruierende, und das hängt vor allem damit zusammen, dass viele gesellschaftliche Gruppierungen patriarchal geprägt sind, also eigentlich alle, die wir heute kennen. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass sich das abendländische Patriarchat mit der Kolonialzeit überall ausgebreitet hat. Also das ist komplizierter zu sagen als nur in einer einzigen Antwort, aber was man sehen kann ist, dass es doch auch grenz- und kulturüberschneidend diese Ähnlichkeit gibt, dass Menstruation irgendwie in einem schlechten Licht steht, tabuisiert wird, mit Unreinheitsgedanken zu tun hat und als etwas gesehen wird, was ein Fehler ist oder was Frauen im Gegensatz zu Männern minderwertig macht.
Aber dass das auch sehr individuell ist, zeigt zum Beispiel, dass es bei vielen gesellschaftlichen Gruppierungen in Indien und Nepal, die sind ja auch sehr divers, dort gibt es nicht eine Kultur, sondern da gibt es viele unterschiedliche Religionen und viele unterschiedliche Traditionen und da gibt es modernere Gruppen und traditionellere, also deswegen kann man das schlecht verallgemeinern. Aber es gibt dort auch verschiedene Gruppierungen, bei denen zum Beispiel die Menstruation gefeiert wird. In Nepal gibt es zum Beispiel traditionell ein Fest für junge Mädchen, die zum ersten Mal menstruieren, sie werden gefeiert, wie kleine Königinnen geschminkt und sie bekommen Geschenke und all das… Gleichzeitig gibt es aber auch diesen Unreinheitsgedanken und in ganz traditionellen Kreisen gibt es auch bestimmte Regelungen, dass Menstruierende nicht die Küche betreten dürfen oder gar einen eigenen Raum zugewiesen bekommen, in dem sie schlafen und sich tagsüber aufhalten. Sie dürfen dann nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Es gibt auch bestimmte Zutrittsverbote für religiöse Häuser, Tempel und Moscheen und genau, es ist halt ein zweischneidiges Schwert.
Das muss dir nicht leidtun! Ich habe gar nicht geahnt, wie vielschichtig das Problem ist, und du hast ja schon ganz viele Dinge angesprochen, die unseren Lesern einen besseren Überblick verschaffen. Was glaubst du, warum die Menstruation fast überall auf der Welt ein Tabuthema ist? Sind es die Männer, die dem Vorschub leisten?
- Ich glaube nicht, dass es die Männer sind, die daran mehr oder weniger die Schuld tragen, sondern das sind systematische Hintergründe. Also zum einen haben die Weltreligionen etwas damit zu tun, gerade die patriarchalischen Weltreligionen natürlich, weil dort das Männliche als das Erschöpfende gilt, das Erschaffende, der Gott quasi an der Spitze, der natürlich die Herrschaft über Reproduktion hat und nicht die Frau, wie man ja eigentlich denken könnte, gerade auch mit dem Wissen über den Zyklus und die eigene Reproduktionsfähigkeit, total viel Macht hätte. Scham ist ein Unterdrückungsinstrument eine bestimmte Hierarchie aufrecht zu erhalten, in der der Mann über der Frau steht.
Es hat aber auch sicher etwas mit Wissenschaften zu tun, gerade im westlichen Kontext, denn bis vor einhundert Jahren galt es als wissenschaftlich erwiesen, also da wurde zum letzten Mal „wissenschaftlich“ geprüft, dass Menstruierende durch ihren Menstrualschweiß materiellen Schaden verursachen. Man ging lange Zeit davon aus, dass Menstruation giftig sei, dass Menstruierende eine toxische Wirkung auf ihre Umgebung haben und auch, dass Hormone beziehungsweise der Hormonzyklus Frauen in irgendeiner Form zu fehlerhaften Wesen machen. Man schloss sie deshalb auch aus Universitäten aus, ließ sie nicht wählen, ließ sie nicht in den Straßenverkehr und sogar bei der NASA galt es als offizielles Argument bis in die 1970er Jahre, dass Frauen keine Astronautinnen werden dürfen, weil man eben Angst hatte, dass sie psychophysiologisch zu komplex ist und das nicht schafft.
Also, ich glaube, dass es nicht die Männer sind, sondern das Patriarchat und das Patriarchat spiegelt sich in religiösen wie wissenschaftlichen, wie politischen und allen möglichen Sphären, und an einer Gesellschaft und einem System sind weitaus mehr beteiligt als nur Männer.
In unserer gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft spielen meiner Meinung nach auch Hersteller von Menstruations- und Hygieneprodukten eine große Rolle, weil sie diese alten Narrative von der „weiblichen Unreinheit“ und der vermeintlichen biologischen Fehlerhaftigkeit von Frauen nacherzählen, um damit ihre Produkte zu bewerben. In der Werbung für Tampons und Binden wird die Menstruation verbal wie visuell tabuisiert und indirekt als Fehler dargestellt, den man zu verstecken hat – dank der Produkte könne man so „frisch“, „sicher“ und leistungsfähig sein, quasi fast wie Menschen ohne Periode. Dadurch wird das Tabu und das Negativimage der Periode reproduziert. In vielen asiatischen Ländern verkauft der Hersteller, den wir hierzulande als „Always“ kennen, seine Binden sogar unter dem Label „Whisper“. Die Scham vorm Auslaufen, dem öffentlichen Outen als menstruierender Mensch sitzt tief und ist ein großes Geschäft.
Von der Sitte, ein Fest anlässlich der Menarche zu feiern, habe ich auch schon gehört. Aber dass Frauen wegen ihrer Menstruation von Universität, Straßenverkehr oder selbst bei der NASA ausgeschlossen wurden, ist mir neu! Um bei dem Thema zu bleiben: Gibt es überhaupt irgendwo ein Land, in der die Periode nicht von Ammenmärchen umgeben ist? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass meine Mutter davon überzeugt war, dass eine Menstruierende keine Marmelade einkochen sollte, und in einem Weinkeller wurde ich direkt nach dem Stand meines Zyklus gefragt. Der Winzer hatte tatsächlich Sorge, dass sein Wein während der Kelter verderben könnte.
- Ich weiß von keinem Land, in dem es keine Ammenmärchen zur Periode gibt. Ich glaube eher, dass es solche bestimmten Mythen schon überall auf der Welt gibt. Es ist auch keine Einzelheit mit der Marmelade und dem Wein. Ich habe in Südasien erlebt, dass dieser Mythos dort weit verbreitet ist, dass Menstruierende keine Früchte anfassen dürfen. Eine Aktivistin, die mich eingeladen hat, die hat mir auch erzählt, dass sie die Mangobäume im Garten nicht anfassen durfte als Kind, wenn sie menstruiert hat. Mittlerweile tut sie das natürlich, weil sie weiß, an der Sache ist nichts dran. Oder auch sollen Menstruierende keine eingelegte Chilischoten oder eingelegte Zitronen, die man im südasiatischen Raum quasi zu fast jeder Mahlzeit isst, anfassen… Es gibt solche Mythen überall. In Japan sind es der rohe Fisch und das Sushi, das schlecht wird, in Italien sind es die Tomaten von der Tomatensoße. Da ist natürlich überhaupt nichts dran. Aber solche Mythen gibt es heute und ich werde auch bis heute mit so etwas konfrontiert. Letztens meinte eine junge Frau zu mir, dass sie in einem Betrieb, in dem es auch um die Verarbeitung von Lebensmitteln ging, von ihrer Chefin gehört hätte, dass sie während der Tage nicht in Kontakt damit kommen sollte. Also ganz ausgestorben sind die Mythen noch nicht.
Trägt die Kirche, deiner Meinung nach, an dem Mythos auch eine Schuld? In meinem Hinterkopf formt sich da der Begriffe der „Unreinheit“.
- Ja, die Kirche hat bestimmt auch ihren Teil dazu beigetragen, gerade mit der Dämonisierung von Weiblichkeit und weiblicher Sexualität, diesem Mythos von Adam und Eva, und dass Eva quasi die Schuld trägt und deshalb Schmerzen erleiden muss beim Gebären. Auch Menstruationsbeschwerden werden oft als Teil der Erbsünde übersetzt, zum Beispiel von Hildegard von Bingen, und das trägt sich auch bis heute weiter, dass Menstruationsschmerzen nicht ernst genommen werden oder dass es heißt, Menstruationsschmerzen seien normal. Das sind sie nicht! Schmerzen sind immer ein Zeichen des Körpers, dass etwas nicht stimmt und dem sollte man Beachtung schenken und das nicht einfach runtermachen.
Und der Begriff der Unreinheit, der spielt sicher auch eine ganz große Rolle. Im dritten Buch Mose heißt es, dass eine Frau mit der Periode, mit dem Ausfluss ihres Fleisches „sieben Tage lang in ihrer Unreinheit“ verbleiben soll und erst am achten Tage darf sie zurückkommen in die Gesellschaft. Aber nicht ohne zweitausend oder zwei junge Turteltauben, die bei einem Priester geopfert werden, als Sündopfer, um Sühne zu bewirken, vor dem Herrn wegen des Ausflusses ihrer Unreinheit. Und wir sehen, dass auch das bis heute seine Wirkung hat, weil Menstruierende irgendwie als Unberührbare, als unrein, als eklig gelten und das gerne verstecken. Auch in der Werbung für Menstruationsprodukte wird das reproduziert, indem man immer wieder von Frischegefühl spricht, von Sicherheit und Schutz und Sauberkeit und dieses ganz sterile Bild auch weiter aufrechterhält, weil mit der blaue Flüssigkeit, mit der die Menstruation symbolisiert wird, und damit wird ja auch kommuniziert, dass die wahrhafte Menstruation, wie sie denn kommt, also rote Flüssigkeit, auch dass man in dem Moment nicht super steril mit weißen Klamotten super gut gelaunt herumspringt, immer noch etwas ist, worüber man nicht gerne spricht und was man nicht gerne zeigt.
Dass du die Kirche an der ganzen Sache für nicht unschuldig hältst, wie ich übrigens auch, überrascht mich in keiner Weise.
Du hast vorhin Menstruationsprodukte angesprochen. Damit hast du mir ein Stichwort geliefert: Nicht nur in der Dritten Welt fehlt es den Frauen an Hygieneprodukten zum Auffangen ihres Menstruationsbluts. Wer mit jedem Pfennig rechnen muss, hat auch bei uns in Deutschland ein Problem. Da fehlt schlicht und ergreifend das Geld für Binden oder Tampons. Schottland ist uns in diesem Punkt einen Schritt voraus und verteilt diese Produkte kostenlos an Bedürftige. Wie ist der Stand bei uns? Beschäftigen sich unsere Politiker mit diesem Thema und werden in naher Zukunft auch hier an bedürftige Frauen Binden und Tampons verteilt?
- Ich glaube auch, es geht dabei überhaupt nicht nur um die Versorgung mit Menstruationsprodukten in Ländern des globalen Südens. Auch in europäischen Ländern und generell auch in westlichen Ländern gibt es Frauen, die finanzielle Schwierigkeiten haben, in Großbritannien soll es laut Umfragen jede 5. Menstruierende sein, die finanzielle Probleme bei der Beschaffung von Menstruationsprodukten hat. Aber ich denke generell, es sollte für niemanden eine finanzielle Mehrbelastung sein, denn das sind ja Kosten, die wir nur tragen, weil wir menstruieren.
Eine Menstruation ist auch nicht vergleichbar mir einer Rasur oder sonst etwas, und das im Zusammenhang mit struktureller finanzieller Benachteiligung wie Gender Pay Gap oder auch die ganz unbezahlte Arbeit finde ich, das ist einfach nicht fair. Deshalb sollten diese Produkte auch gratis zur Verfügung stehen, in öffentlichen Einrichtungen, eben dort, wo man sie braucht, auch nicht nur aus finanziellen Gründen, auch, um einfach Menstruierende zu entlasten. Denn oft kann man es nicht planen, wann die Periode kommt. Gerade bei jüngeren Menstruierenden ist das so, und dann ist es einfach schön, wenn die dann nicht noch zusätzlich zu dem Stress und den vielleicht körperlichen Schmerzen auch noch dieser Scham und der Panik ausgesetzt sind, sich jetzt irgendwo einen Tampon oder eine Binde beschaffen zu müssen. Vielleicht ist auch noch Sonntag und die Geschäfte haben zu. Dann muss man flüsternd nach etwas fragen. Das ist unangenehm. Warum sind diese Produkte nicht einfach da?
Ich finde, Schottland macht es da genau richtig. Auch in Neuseeland gibt es mittlerweile Binden und Tampons kostenlos an Schulen. Und an einigen Hochschulen in Deutschland ist es auch schon so, zum Beispiel an der Hochschule Merseburg. Ich bekomme auch immer mehr Mails von Menschen, die mir schreiben, dass sie sich in bestimmten Städten dafür einsetzen. Letztlich habe ich mitbekommen, dass in Konstanz ein Projekt läuft. Also es gibt viele verschiedene Städte und Institutionen, die das Ganze angehen möchten und es gibt auch politische Parteien und Politiker*innen, die sich einzeln dazu äußern. Zum Beispiel hat die Linke im Stadtteil Magdeburg erst kürzlich kostenlose Menstruationsprodukte gefordert. So gibt es immer wieder Menschen, die darauf aufmerksam machen, dass die Periode nichts ist, was man sich frei aussucht und für die man nicht auch noch neben der erlernten Scham und den Schmerzen deftig draufzahlen sollte.
Allerdings muss man sagen, dass gerade auf Bundestagsebene das Thema keinen großen Anklang bekommt, die Petition für kostenfreie Menstruationsprodukte in öffentlichen Einrichtungen von Social Period richtet sich ja auch an Franziska Giffey, die bereits durch ihr Ministerium reagiert hat, indem gesagt wurde, jetzt wurde ja gerade die Tamponsteuer gesenkt und jetzt reichts erst einmal. Aber das reicht natürlich nicht! Die Senkung der Tamponsteuer hat eher symbolischen Wert, es geht natürlich auch um ein bisschen Geld, aber eine Menstruation kostet immer noch genug, auch mit sieben Prozent Mehrwertsteuer statt neunzehn (Menstruieren auch noch maximal zu versteuern, ist einfach nur absurd). Und gerade eine bessere, stresslose Verfügbarkeit der Produkte wäre der nächste Schritt, denn wir brauchen Menstruationsprodukte, um am Alltag teilzunehmen.
Kommen wir zu den weiblichen Obdachlosen, die es besonders hart trifft und die sich oftmals kaum ein Essen leisten können. Woher sollen die noch das Geld für Binden nehmen? Gerade in der aktuellen Situation, in der das Corona-Virus seit über einem Jahr viele Betriebe lahmlegt, sind viele Berufstätige auf Kurzarbeit gesetzt. Wie kann diesen Frauen geholfen werden?
- Ja, das ist ein Problem, gerade menstruierende Obdachlose haben natürlich gerade jetzt zu Coronazeiten einen total erschwerten Zugang zu sanitären Anlagen und natürlich auch zu Binden, Tampons und Inkontinenzeinlagen und weiteren Produkten, die sie einfach brauchen. Ich bin Mitglied in einem Verein, der sich genau diesem Thema widmet, „Periodensystem e.V.“, und wir unterstützen mehrere Einrichtungen mit Produktspenden und wir freuen uns natürlich auch immer über Unterstützung.
Vielleicht hilft dieses Interview, den Bekanntheitsgrad dieses Vereins zu vergrößern. Oder ihr bekommt mehr Mitglieder, mehr finanzielle Unterstützung… Wer weiß? Es wäre euch zu wünschen!
Deine beiden Bücher zu diesem Thema hast du ja, wie ich vermute, nicht aus reinem Selbstzweck geschrieben. Welche Hoffnungen verbindest du damit?
- Ich habe meine Bücher natürlich nicht aus Selbstzweck geschrieben. Das ist mein Job als Autorin, Bücher und andere Texte zu schreiben. Ich schreibe auch nicht nur Texte, ich mache auch Videos. Ich bin auf Instagram aktiv und mache das natürlich, um auch Menschen zu erreichen und ich habe das Gefühl, das tue ich auch! Ich bekomme sehr viele Nachrichten von Menschen, die sagen DANKE, mit deinem Buch hast du mir die Augen total geöffnet und eben halt auch Leute, die sagen, hey, ich packs jetzt an. Ich setze mich dafür ein, dass wir kostenfreie Menstruationsprodukte haben, Leute, die anderweitig aktiv werden, und das ist die größte Hoffnung für mich, die ja damit in Erfüllung geht nach und nach, dass ich Teil einer Bewegung bin, die für mehr Bewusstsein einsteht und für gesellschaftlichen Wandel, was die Menstruation betrifft und eingebettet damit, was fairere Verhältnisse betrifft für Menschen aller Geschlechter.
Wenn du nicht als freie Journalistin arbeitest, hältst du Vorträge über dieses wichtige Thema. Welche Reaktionen bekommst du von deinen Zuhörern? Oder schweigen sie nur betreten?
- Wenn ich Vorträge halte, dann ist das ja natürlich auch so, dass da Leute drinsitzen, die sich da freiwillig reingesetzt haben, meistens, und von denen bekomme ich meistens auch gutes Feedback und Zuspruch, die interessieren sich ja dafür. Manchmal kommt es wirklich auch vor bei Science Slams zum Beispiel, dass die Leute nicht wissen, welche Themen angesprochen werden oder dass auch an einem Abend viele verschiedene Themen angesprochen werden, da bin ich nur eine von vielen, die auf der Bühne stehen, und da waren die Reaktionen doch auch durchweg positiv, gerade von Menschen, die sich sonst niemals damit beschäftigt hätten, die mir rückmelden, dass ihnen mein Science Slam die Augen geöffnet hat. Und das freut mich natürlich sehr!
Natürlich sind aber die Rückmeldungen, die direkt an mich kommen, nochmal anders und die, die ich nicht mitbekomme, und die im realen Leben kommen, sind auch noch einmal anders als die, die im digitalen kommen. Und da kann man sich das einfach einmal angucken, ja wenn irgendeine größere mediale Institution wie der WDR oder BR, ein Radiosender, Fritz oder irgend so einer ein Interview mit mir macht, dann sammeln sich unter Facebook schon einige sehr verständnislose Kommentare. Aber die erreichen mich ja nicht persönlich, sondern das sind oft Menschen, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben und die auch meistens noch nicht mal das Interview gelesen oder gehört haben und dann denke ich auch, da kann man nicht viel machen. Man kann ihnen ja nur anbieten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Aber das zeugt oft einfach auch von Unwissenheit, und das finde ich auch ziemlich schade, weil es gibt ja die Möglichkeiten sich weiter zu bilden.
Du selbst besuchst Gender-Studies-Vorlesungen an der Uni, bei denen es nicht um biologische, sondern gesellschaftliche und soziale Geschlechtsmerkmale geht. Wirst du zu diesem spannenden Thema ein weiteres Buch schreiben?
- Mein Studiengang Gender Studies ist interdisziplinär, das bedeutet, er versucht, alle Disziplinen mit einzuschließen und versucht sich in alle Disziplinen einzuspeisen. Ich habe oft biologische Vorlesungen, naturwissenschaftliche Vorlesungen, ich bin quasi in allen möglichen Fakultäten und das ist auch das Schöne daran, also ich bin einmal in der juristischen Fakultät, dann gehe ich in die sozialwissenschaftliche Fakultät, dann gehe ich in die philosophische Fakultät und dann bin ich eben auch in einem Kurs zu Hormonen, zum Geschlecht, und da lerne ich dann halt auch viel über Chemie und Biologie und Biochemie. Also das ist der Sinn eines interdisziplinären Studiengangs.
Ich weiß noch nicht, ob ich ein weiteres Buch schreiben werde, aktuell ist nichts geplant. Ich denke mir auch, jetzt reicht es erstmal, zwei Bücher, das eine ist ja auch gerade erst rausgekommen. Ich bin gespannt auf die Zukunft und werde gucken, was kommt.
Abschließend noch eine persönliche Frage: Dein Roman Krötensex enthält eine Reihe autobiografischer Züge. Hattest oder hast du selbst auch eine Großmutter wie deine Protagonistin Frieda, die auf alle Fragen ihrer Enkelin stets mit einem im wahrsten Sinne umwerfenden Spruch geantwortet hat?
- Natürlich kenne ich die Realität meiner Protagonistin und deswegen kann ich mich in sie hineinversetzen. Aber Frieda ist eine ausgedachte Person genau wie alle ihre Figuren, mit denen sie sich umgibt. Also nein, ich habe (leider) keine Großmutter, die solche Sprüche klopft, und auch keine Zwillingsschwester, ich habe nicht Business studiert, bin keine Influencerin und lebe nicht in Ostdeutschland. Aber ich weiß, wie es ist, in einer Welt zu leben, in der es unendlich viele Möglichkeiten gibt und in der viele Erwartungen an junge Frauen zusammenkommen – man soll sowohl klug und belesen, aber auch kurzweilig, schön, schlank und außergewöhnlich erfolgreich sein, sowohl gewitzt als auch tiefgründig, weltbereist, aber auch ökologisch reflektiert, mutig und sexuell verfügbar, aber keine „Schlampe“, feministisch aber nicht zu doll.
Ich hatte also die Möglichkeit, mich in eine Person hineinzudenken, die sich unter all dem Druck zerrissen fühlt, die sich beständig „zu viel“ vorkommt und dabei aber nie genug.
Ich danke dir vielmals für das Interview und wünsche dir im Namen aller Frauen, ob sie noch auf ihre Menarche warten, in weniger oder mehr regelmäßigen Abständen menstruieren oder bereits das Klimakterium erreicht haben, alles erdenklich Gute!