Wer selbst schon in den Bergen unterwegs war, versteht nur zu gut die von Petra Bartoli y Eckert gemachte Aussage im ersten Absatz ihres Sachbuches „In den Bergen findest du zu dir“, dass man beim Bergwandern Kraft tankt und die Sorgen im Tal lässt. Sie geht der Frage nach, „wie Resilienz, wie Widerstandsfähigkeit in schweren Situationen wirklich gelingen kann“, wobei sie auch erklärt, warum sie von Resilienzkursen nichts hält. Um eine Antwort zu erhalten, hat sie den Entschluss einer Alpenüberquerung gefasst, bei der sie bis an ihre körperlichen und mentalen Grenzen gehen wollte. Mit Tagestouren hat sie sich darauf vorbereitet, bevor es an die eigentliche Planung ging.
Ihre Route führte die aus Bayern stammende Autorin vom Tegernsee über die Tegernseer Alpen. Das Karwendelgebirge streifend führte ihr Weg nach Achenkirch, Maurach, Fügen und Hochfügen in den Tuxer Alpen, Melchboden, Schlegeisspeicher und Mayrhofen in den Zillertaler Alpen und weiter über das Pfitscherjoch ins Pfitschtal, um letztlich im Südtiroler St. Jakob anzukommen, wo ihr Ehemann bereits auf sie wartete. Da kein Punkt auf der Strecke über 2300 Meter reichte, nahm sie gerne seinen Vorschlag auf, im Anschluss noch gemeinsam einen Dreitausender zu besteigen, was schon immer ihr Wunsch war.
Neben einer Gastwirtin, einem sie streckenweise begleitenden Pärchen und einem Moderator hat die Autorin mit einer Psychologin gesprochen, die Kurse zu Trittsicherheit und Höhenangst gibt, einem infolge eines Arbeitsunfalls mit einer Beinprothese gehandicapten Vizeweltmeister im Speedklettern wie einem aus einfachen Verhältnissen stammenden Chefdirigenten der Salzburger Philharmonie. Weitere Gesprächspartner waren ein Almhelfer, der bereits als Kind mit seinem Vater bis an die Gletscher aufstieg, ein bei der Bergrettung tätiger Hubschraubernotarzt, der schon eine Himalaya-Expedition begleitete, einem Weggefährten, für den Probleme beim Bergwandern in den Hintergrund treten und einer Kunsttherapeutin, der die Berge Kraft geben und die dann nicht mehr an die Sorgen denkt, über die sie sonst grübeln würde. Auch mit einer Bergbloggerin, die ihre beste Freundin bei einer Bergtour verlor, hat sie ein Gespräch geführt.
Petra Bartoli y Eckert hat ihr Sachbuch nach Etappen gegliedert und lediglich für einzelne Passagen ihrer Alpenüberquerung Bus- und Bahnfahrten sowie in einem Fall eine 1200 Höhenmeter überwindende Bergbahn in Anspruch genommen. Bergunerfahrene Leser mögen sich über den Begriff eines Matratzenlagers wundern, in dem die Autorin ihre erste Nacht verbracht hat. Auch ist ihnen vielleicht ein spezieller Hüttenschlafsack unbekannt und es mag ihnen seltsam vorkommen, wenn extra eine Duschmarke beim Hüttenwirt erworben werden muss. Auch wenn nicht immer schmerzhafte Blasen an den Füßen oder das Ablösen der Zehennägel ausgeschlossen werden können, so sind doch, und das hört man immer wieder von Bergwanderern, alle Strapazen am Ziel augenblicklich vergessen.
Aus ihrem Abenteuer Alpenüberquerung geht deutlich hervor, dass Bergwanderer schnell zu Fremden Kontakte schließen. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Rücksicht auf andere nimmt und dass man sich gegenseitig hilft. Das allein verbindet und schafft Vertrauen. Die mit den unterschiedlichsten Personen von der Autorin geführten Gespräche, die sie vermutlich wegen der Wiedergabe in wörtlicher Rede aufgezeichnet hat, zeigen interessante Lebensläufe und sind in sich abgeschlossene, teils spannende, informative oder aber auch traurige Geschichten. Zum Abschluss zieht Petra Bartoli y Eckert in ihrem empfehlenswerten Sachbuch „In den Bergen findest du zu dir“, das allenfalls noch durch Fotos eine Aufwertung erfahren hätte, ein Resümee in Bezug „was wir beim Wandern über Resilienz lernen“ können und gibt wertvolle Tipps.
In den Bergen findest du zu dir von Petra Bartoli y Eckert
Kösel Verlag 2023
Klappenbroschur
224 Seiten
ISBN 978-3-466-37306-2