Ich bin behindert, und Du? von Harald Jelinek

Ich bin behindert, und Du?Im Mittelpunkt des Romans „Ich bin behindert, und Du?“ von Harald Jelinek steht Hannes Fortwill, der unter spastischen Anfällen leidet. So weit er zurückdenken kann, stand er schon als Kind wegen seiner Behinderung im Abseits. Er wollte seine Anfälle wenigstens unter Kontrolle halten können, so dass nicht jeder gleich seine Behinderung bemerken würde. Natürlich hätte er auch gerne mal ein Mädchen angesprochen, doch dazu fehlte ihm der Mut. Dies musste seinen Träumen vorbehalten bleiben.

Heute macht sich Hannes viel Gedanken über den Sinn seines Lebens. Er hat nur ein geringes Selbstwertgefühl und auf ein Mädchen im Wartezimmer des Arztes, dass er schon längere Zeit beobachtet hat, mag er nicht zugehen. Doch eines Tages kommt Tina auf ihn zu und er wird sich später eingestehen, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Er ist gefangen von der Art, wie sie ihre Behinderung annimmt. Bei den folgenden Treffen nimmt er nur noch Tina wahr und seine Umgebung rückt in den Hintergrund. Sie wird zum Mittelpunkt in seinem Leben. Hannes, der „nur“ an Diplegie, einer leichteren Form der infantilen Zerebralparese leidet, erfährt, dass es Tina weitaus schlechter getroffen hat. Sie muss neben den spastischen Anfällen auch noch mit einer Beeinträchtigung der Intelligenz rechnen, da sie an Tetraplegie erkrankt ist. Die beiden verbindet eine platonische Liebe, obwohl Hannes seine Gedanken an Sex nicht völlig unterdrücken kann. In ihren letzten Lebenswochen, als es Tina immer schlechter geht und sie an einen Rollstuhl gefesselt ist, zieht er zu ihr. Er wird von Verzweiflung gequält und muss ihrem langsamen, stetig fortschreitenden Verfall zusehen. Schließlich steht Hannes am Grab seiner Liebsten und fragt sich, ob sein Körper nun auch aufgibt? Jetzt, wo ihm das Liebste im Leben genommen wurde.

Harald Jelinek beschreibt in „Ich bin behindert, und Du?“ sehr einfühlsam einen kurzen, gemeinsamen Lebensweg zweier aufs Schwerste behinderter Menschen. Der Leser erfährt über Hannes und Tina ausschließlich, wie es um ihre Krankheit bestellt ist, wie sie damit umgehen und darunter leiden. Der Autor lässt die Geschichte von Hannes erzählen und stellt durch ihn die Frage, ob sich in der Asche eines Menschen noch Spuren der Behinderung in der DNA nachweisen lassen. Er erinnert an die Ausrottung der Behinderten unter Hitler und fragt sich, wie sich die Juden wohl unter den Nazis gefühlt haben müssen. Es finden sich kritische Anmerkungen, wie wenig Menschen als politische Flüchtlinge wert sind. Er macht die großen Städte für eine steigende Kriminalitätsrate verantwortlich und spricht von beunruhigenden Veränderungen in unserer Gesellschaft. Anstatt sich mit Freunden zu treffen, trifft man sich im Chatroom. Harald Jelinek hat sich mit „Ich bin behindert, und Du?“ an ein Tabuthema gewagt, denn Behinderungen jeglicher Art werden von den meisten Menschen lieber ignoriert. Man sieht weg! Theoretisch bringt man zwar Verständnis für Behinderte auf und sie haben natürlich auch ein Recht auf Urlaub – nur bitte nicht in meinem Hotel! Lobenswert auch, dass mit jedem Buchkauf der österreichische Verband für Spastiker-Eingliederung unterstützt wird.
Allerdings hat der Leser das Gefühl, dass bei dem vorliegenden Buch das Korrekturlesen versäumt wurde. Denn es finden sich überdurchschnittlich viele Grammatik-, Rechtschreib- und Zeichenfehler, die kombiniert mit teilweise ungünstigen Formulierungen das Lesevergnügen schmälern.

Ich bin behindert, und Du? von Harald Jelinek

Ich bin behindert, und Du?
Wagner Verlag 2011
Broschur
98 Seiten
ISBN 978-3-86279-021-0

Bildquelle: Wagner Verlag
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