Stimmen der Hoffnung – Drei Frauen im Aufbruch zur Radiogeschichte

Buchcover des Romans Die Radioschwestern - Klänge einer neuen Zeit

Freundschaft, Ambitionen und die Schatten der Vergangenheit

Nach dem Tod ihrer Eltern wächst Gesa Westhof bei ihrer Tante in Bielefeld auf. Im Jahr 1926 hat die 24-Jährige nur einen Wunsch: beim Südwestdeutschen Rundfunk in Frankfurt zu arbeiten. Zunächst schlägt sie sich als Servierkraft durch, wobei sie Inge Jacobs kennenlernt – eine junge Frau, die im Café mit Gesang die Gäste unterhält und Gesa als Untermieterin bei sich aufnimmt.

Inge träumt von einer Karriere als Sängerin und arbeitet als Sekretärin bei Albert Bronnen, dem Sendeleiter des Rundfunks. Über ihn hat sie Kontakt zu Margot Mikola, einer Cellistin, die sich als einzige Frau im Rundfunkorchester gegen die männlich dominierte Welt behaupten muss – nicht zuletzt, weil Dirigent Bienefeld ihr das Leben schwer macht. Selbstbewusst und voller Hoffnung sind Gesa, Inge und Margot, die längst enge Freundinnen geworden sind. Sie sind überzeugt, eines Tages eine erfolgreiche Hörspielsprecherin, weltberühmte Sängerin und gefeierte Cellistin in der Philharmonie zu werden.

Rückschläge und innere Konflikte

Doch das Leben verläuft nicht nach Plan. Gesa wird von ihrem Freund Willi Steffel enttäuscht, einem Autor, der auf Werbeaufträge angewiesen ist. Ihre Konkurrentin Carla Simonetti, eine erfolgreiche Schauspielerin, spielt ihr übel mit, und ihre Tante verlangt, dass sie nach Bielefeld zurückkehrt.

Inge schafft es nach ersten Auftritten in der Erebos Bar schließlich ins Palastcafé, vernachlässigt dabei jedoch ihre Arbeit als Sekretärin – sehr zum Missfallen von Intendant Bronnen. Margot wird unterdessen von Dirigent Bienefeld erpresst und trägt Sorgen mit sich, die sie ihren Freundinnen verheimlicht. Als sie keinen Ausweg mehr sieht, taucht sie unter – ausgerechnet zu einer Zeit, in der auch Gesa von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, keine Hoffnung für ihre Zukunft sieht und Inges Leben aus enttäuschter Liebe am seidenen Faden hängt.

Historische Bezüge und atmosphärische Tiefe

Eva Wagendorfer hat, wie sie im Glossar ausführt, für einige Figuren ihres Romans Die Radioschwestern – Klänge einer neuen Zeit* auf historische Vorbilder zurückgegriffen. Sie hat gründlich recherchiert und vermerkt, dass der Sender BBC bereits seit 1922 sendet und der Südwestdeutsche Rundfunk zwei Jahre später auf Sendung ging. Ihre Ausführungen zu Curt Stille, dem Pionier der Stahldraht-Diktiergeräte, sind korrekt: Diese Geräte ermöglichten erstmals eine Magnettonaufzeichnung, wodurch Hörspiele konserviert und wiederholt abgespielt werden konnten.

Im Roman wird mehrfach thematisiert, dass Sprecher nur eine Chance für ihren live gesendeten Vortrag hatten – inklusive aller Geräusche und Requisiten, die für eine möglichst realistische Darstellung erforderlich waren.

Zeitkolorit und literarischer Stil

Jedem Kapitel ist eine Radionachricht vorangestellt, in der eine Frau vorgestellt wird. Bereits die erste Kommentierung zu Gertrude Ederle, der ersten Frau, die den Ärmelkanal durchschwamm, ist bemerkenswert: Sie wurde in der Folge taub, da das Salzwasser ihre vorgeschädigten Trommelfelle angriff.

Wagendorfer greift weitere zeittypische Details auf – etwa den Konsum von Kokain in Künstlerkreisen oder die Nutzung von Zeppelinen zu Werbezwecken. Überraschend ist die Darstellung, dass Benzin vor Einführung der heutigen Zapfpistolen mittels Handpumpe in Kanister abgelassen wurde, die der Tankwart heranschleppte und einfüllte.

Mit flüssigem Schreibstil legt die Autorin großen Wert auf Details zu Kleidung, Haaren und Schmuck ihrer Protagonistinnen. Besonders ihre weiblichen Leser weiß sie mit den richtigen Worten zu berühren – Worte, die das Herz schmelzen lassen. In Sachen Liebe macht sie es Gesa, Inge und Margot nicht leicht, was in einem angekündigten zweiten Teil sicher seine Fortsetzung finden wird.

Die Radioschwestern – Klänge einer neuen Zeit von Eva Wagendorfer

Buchcover des Romans Die Radioschwestern - Klänge einer neuen Zeit
Penguin Verlag 2022
Klappenbroschur
432 Seiten
ISBN 978-3-328-10796-5

Bildquelle: Penguin Verlag

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