Im ersten Teil der Radioschwestern hoffte Gesa Bronnen auf eine Karriere bei Radio Frankfurt, Inge Jacobs wollte Sängerin werden und Margot Milanski sah sich als gefeierte Cellistin. Doch der Krieg zerstörte ihre Träume jäh: Die ungebundene Inge steht vor den Trümmern ihres erworbenen Stadthauses und ist zu Gesa gezogen. Als der ehemalige Schauspieler Theodor Conrad, dem sie viel verdankt, eines Tages völlig abgemagert zu ihr kommt, kümmert sie sich aufopfernd um ihn, zumal er von einem Berufsverbot betroffen ist. Dann erhält die ehemals berühmte Sängerin ein lukratives Angebot und soll die Leitung eines Kinderprogramms im Radio übernehmen. Doch kann sie sich das zutrauen?
Margot Milanski kam mit ihrer Familie bei ihrer Cousine Gerda Friese in Königstein unter, deren Ehemann in russischer Kriegsgefangenschaft ist. Anders als in der Großstadt muss sie hier nicht hungern. Sie ist mit Friedrich verheiratet, der vor dem Krieg als Radioreporter gearbeitet hat und nun ebenfalls unter dem ihm auferlegten Berufsverbot leidet. Zum Glück stellt sie Major Jack P. Lester beim Rundfunk an, so dass sie die teuren Medikamente für ihren im Krieg verwundeten Sohn Egon bezahlen kann. Im Gegensatz zu Tochter Marianne muss sie sich um ihren Ehemann sorgen, der immer mehr verkümmert und seiner am Cello klassisch ausgebildeten Frau die „Negermusik“, wie er den populär werdenden Jazz nennt, verbietet. Zu gerne möchte Margot wieder weg von Königstein und nach Frankfurt ziehen.
Gesas Ehemann Albert wurde als ehemals Verantwortlicher für den Systemrundfunk verhaftet und in den letzten Kriegstagen noch zum Volkssturm eingezogen. Seitdem fehlt jedes Lebenszeichen von ihm. Zum Glück kommt Gesa wie Margot beim Radio unter, so dass sie wenigstens ihre beiden Kinder Christel und Julius versorgen kann. Ihren Vorgesetzten Major Jack P. Lester bittet sie um Nachforschungen bezüglich ihres Ehemannes, der ihr leider mitteilen muss, dass Albert für tot erklärt werden muss. Für Gesa bricht eine Welt zusammen und zu allem Überfluss macht ihr Sohn Probleme. Soll sie dem Drängen von Lester nachgeben, der es von Anfang an gut mit ihr meinte und sie heiraten will?
Dieser zweite Teil Die Radioschwestern – Melodien einer neuen Welt der Saga bezieht sich auf die Jahre von 1934 bis 1955. Allmählich fielen mit dem einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung die Kontrolloffiziere weg, und Radio Frankfurt wurde in Hessischer Rundfunk umbenannt, deren größter Erfolg der von einem Übertragungswagen gesendete „Frankfurter Wecker“ neben den „Hesselbachs“ war. Eva Wagendorfer erinnert an eine Reihe bekannter Größen dieser Zeit, ob Peter Frankenfeld, Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Alexander, Erik Schumann oder Caterina Valente, die sie alle geschickt in den Plot eingebaut hat. In den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren mussten die Menschen um das nackte Überleben kämpfen. So erinnert die Autorin nicht nur an Berechtigungsscheine für die Schule oder das Eintauschen von Schmuck gegen Lebensmittel, sondern auch an eher unbekannte Dinge wie das mit Kartoffelstärke eingefärbte Eis, was auf eine ausgezeichnete Recherchearbeit hindeutet.
Eva Wagendorfer schreibt von den beruflichen sowie privaten Entwicklungen der drei Protagonistinnen im Wechsel. Jede durchläuft Höhen und Tiefen, muss immer wieder Rückschläge hinnehmen und kann sich bei allem Unglück der uneigennützigen Hilfen der Freundinnen sicher sein. Wie im ersten Teil hat sie auch hier wieder jedem Kapitel eine Radionachricht über eine bemerkenswerte Frau vorangestellt, beispielsweise über die damalige Frau des argentinischen Präsidenten Evita Peron, von der kaum bekannt ist, dass sie auch eine ehemalige Radiomoderatorin war. Interessant hat die Autorin in der Saga herausgestellt, wie sich alles in der nächsten Generation wiederholt, nämlich dass die Kinder ihre eigenen Wege gehen wollen, was merkwürdigerweise die Mütter verwundert, obwohl sie nicht anders waren! Wie Gesa, Inge und Margot darf sich auch der Leser im dritten Teil darauf freuen mitzuerleben, wie es mit ihren Kindern weitergeht!
Die Radioschwestern – Melodien einer neuen Welt von Eva Wagendorfer
Penguin Verlag 2023
Klappenbroschur
448 Seiten
ISBN 978-3-328-10817-7