Memmertsand von Hardy Pundt

MemmertsandIm Alter von rund sechzig Jahren erzählt der im Jahr 1862 in Uelsen geborene Volksschullehrer Otto Leege, der in zweiter Ehe mit Engeline verheiratet ist und zum achten Mal Vater wird, seinen Schülern von seinem Leben: Seine pflanzenkundige Mutter hat seinen diesbezüglichen Wissensdurst gestillt und als die Frage nach seiner beruflichen Zukunft aufkommt, begrüßt er den Vorschlag seines Lehrers, die Laufbahn eines Schulmeisters einzuschlagen. In Aurich geht Otto in seiner Freizeit mit offenen Augen durch die Natur und lernt von seinen Weggefährten, wobei er schon früh seine Aufzeichnungen in einem Tagebuch festhält. Während eines Ausflugs nach Norderney ist er zur Belustigung seiner Kommilitonen von der einzigartigen Pflanzen- und Vogelwelt fasziniert und möchte am liebsten länger auf der Insel bleiben. Nach Bestehen der Prüfung bewirbt er sich auf eine freiwerdende Stelle als Volksschullehrer auf Juist. Allen Unkenrufen zum Trotz, er würde dort wie seine Vorgänger versauern, freut er sich auf die Zusage.

Sogleich beginnt Otto Leege damit, die Pflanzen zu vergleichen und zu bestimmen. Er stellt fest, dass diese den Sand befestigen, was die Dünen Zentimeter um Zentimeter wachsen lässt. Trifft Vogelkot auf den unfruchtbaren Sand, wirkt dieser als Dünger. Doch bei all seiner Arbeit findet er auch Interesse an Martha, die bald ein erstes Kind von ihm erwartet und seine Ehefrau wird. Am 19. September 1888 setzen ihn Robbenjäger auf Memmert ab, und er fragt sich sogleich, „ob man hier einen vor den Menschen geschützten, friedlichen Lebensraum für Seevögel schaffen könnte“. In den darauffolgenden Jahren beobachtet er das Anwachsen der Dünen, muss jedoch mit dem frühen Tod von Martha einen herben Schicksalsschlag hinnehmen, zumal seinen vier Kindern die Mutter fehlt.

Unermüdlich pflanzt er mit Unterstützung seiner zweiten Ehefrau Engeline und den schon größeren Kindern Strandhafer, um die Dünen zu schützen und setzt sich für ein Verbot ein, dass Tagestouristen sein Werk zertrampeln und auf ihren „Lustfahrten“ auf Vögel schießen, die einen elenden Tod erleiden und ihre Jungen zurücklassen müssen. Er kämpft für einen Naturschützer auf Memmert, auch wenn das für die Verantwortlichen in Aurich nur eine Sandbank ist, die kein Geld einbringt. Da Otto Leege inzwischen in der Fachwelt geschätzt wird, lernt er einflussreiche Leute kennen, die für ihn beim Minister in Berlin vorsprechen und sich ebenfalls für eine Vogelfreistätte stark machen.

Hardy Pundt, ein Nachfahre des legendären Otto Leege, zeichnet dessen Leben von seiner Geburt im Jahr 1862 bis 1914 nach. Als Sachkundiger ist es für den Autor kein Problem, kurze Passagen auf Plattdeutsch in den Plot einzubauen und fachlich fundierte Begriffe wie Hammer- und Kaapdünen oder Kachelotplate zu verwenden. Vermutlich musste er nicht einmal das erwähnte Hotel von Ehle Itzen recherchieren, das seit 1870 eines der ersten Hotels auf Juist war. Existiert haben auch die Otto Leege gut gesinnten Herren Ulrich von Milamowitz-Moellendorf und Hans Freiherr von Berlepsch, was ebenso auf den preußischen Generalleutnant, Staats- und Landwirtschaftsminister Victor von Podbielski in Berlin zutrifft.

Interessant sind weiterhin die Ausführungen zum Gehalt eines Volksschullehrers zur damaligen Zeit: Das Einkommen reichte gerade zum Überleben und hätte Otto Leege nicht Sponsoren gehabt, hätte er als Vortragender nicht einmal zu einem Kongress reisen können. Was heute für einen Juist-Besucher kaum vorstellbar ist, war das Warten auf die Flut. Denn eine Übersetzung mit dem Segelschiff war nur möglich, wenn genug Wasser in die flachen Untiefen lief. Kam dann genug Wind, konnte das Ziel, ein schlickiger Grund, in zwei, drei Stunden erreicht werden. Weiter ging es mit einem von Pferden gezogenen Ackerwagen. Nicht unbedingt das, was sich Touristen heute wünschen.

Hardy Pundt beginnt seinen Roman Memmertsand* mit einer Meuterei. Die von Kapitän Joseph Turley befehligte Braganza hat es tatsächlich gegeben und in jüngster Zeit gibt es noch Vorträge dazu. Allerdings fehlen gesicherte Fakten zu dem Schiffsunglück, das bei Sturm auf die Sandbank „de Meem“ lief. Schon allein mit dem Prolog, der eine spannende Geschichte einschließt, kann der Autor den Leser an den Plot fesseln. Die Entstehung der Insel Memmert dokumentiert er auf geradezu abenteuerliche Weise, und man kann den Kampf und das Vermächtnis seines Vorfahren nicht hoch genug einschätzen. Ein in jeder Hinsicht informativer, faszinierender und spannungsgeladener Roman!

Memmertsand von Hardy Pundt

Memmertsand
Gmeiner Verlag 2024
Klappenbroschur
384 Seiten
ISBN 978-3-8392-0712-3

Bildquelle: Gmeiner Verlag


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