Im Alter von zwölf Jahren verlässt Jahan im 16. Jahrhundert seine indische Heimatstadt Hindustan und flieht vor seinem gewalttätigen Stiefvater. Er schmuggelt sich an Bord eines Schiffes, auf dem sich ein weißer Elefant befindet, ein Geschenk von Schah Humayuns an den Sultan in Istanbul. Durch eine List kann Jahan Kapitän Gareth davon überzeugen, dass er der Elefantenführer von Chota ist. Doch für seine Gunst, ihm das Leben geschenkt zu haben, erpresst er Jahan damit, dass dieser später im Palast für ihn stehlen soll.
In Istanbul wird Jahan von Sangram in die Palastregeln eingewiesen. Wie Nikola, Davud und der taubstumme Yusuf ist er ein Schüler von Sinan, dem Hofarchitekten von Sultan Süleyman. Jahan erhält Unterricht und wird ein geschätzter Bauzeichner. Weil aber auch Kapitän Gareth immer wieder Diebesgut einfordert, lässt Jahan bei jeder sich bietenden Gelegenheit etwas mitgehen. Als er gemeinsam mit seinem Elefanten Chota einem Kriegsfeldzug zum Sieg verhilft, dürfen sie von nun an im Serail wohnen. Dort begegnet Jahan der schönen Prinzessin Mihrimah und es betrübt ihn zutiefst, als er von ihrer Vermählung mit Rüstem Pascha erfährt.
Mit ihrem Meister Sinan bauen die vier Schüler Moscheen, Aquädukte, Brücken, Karawansereien und für den Astronom Takiyüddin sogar ein Observatorium. Doch sie haben mit Dürren, Erdbeben, Überschwemmungen, der Pest und immer häufiger mit nicht erklärbaren Unglücksfällen zu kämpfen, die nicht nur die Bauwerke zerstören, sondern auch viele Menschenleben fordern. Mal werden die Juden dafür verantwortlich gemacht, mal die Christen. Obwohl Jahan sich von den Zigeunern und ihren Anführer Balaban fernhalten soll, ist gerade er immer zur Stelle, wenn Jahan Hilfe braucht. Rat holt er sich auch gerne beim Buchhändler Simeon, der es gut mit ihm meint. Doch in einem Land, wo selbst der nächste Sultan Murad nicht davor zurückschreckt, alle seine Brüder in der Nacht seiner Thronbesteigung ermorden zu lassen, bleibt auch Jahan der Kerker nicht erspart, in den ihn Rüstem Pascha, der Mann seiner Angebeteten, einsperren lässt. Noch gibt Jahan nicht auf und hofft, sich eines Tages an seinem Stiefvater rächen zu können.
Elif Shafak entführt den Leser in dem Roman Der Architekt des Sultans* in die prunkvolle Zeit des Osmanischen Reiches im 16. und 17. Jahrhundert, wobei sie fiktive und reale Personen agieren lässt. Sie beschreibt in sehr ausschmückenden Bildern eine Welt, in der Aberglauben vorherrscht, Komplotte geschmiedet werden und Verschwörungen an der Tagesordnung sind. Um die pompösen Bauwerke finanzieren zu können, wird den Ärmsten ohne Skrupel alles genommen und die Herrscher verhängen selbst für die kleinsten Verfehlungen die grausamsten Strafen.
Einem aufmerksamen Leser dürfte nicht entgehen, dass einige Fäden offensichtlich nicht wieder aufgenommen wurden. Beispielsweise war von einem versiegelten Brief die Rede, den der Buchhändler Jahan überreicht hat und der ihm später gestohlen wurde. Leider ist der Brief nicht noch einmal erwähnt worden. An anderer Stelle ist auch nicht mehr von dem vergrabenen Diebesgut die Rede oder davon, dass Jahan sich noch an seinem Stiefvater rächen wollte. Ungeachtet dessen ist der Roman Der Architekt des Sultans* von Elif Shafak aber für alle Leser interessant, die sich von der Ausschmückung prachtvoller Roben und festlicher Umzüge faszinieren lassen. Wer dann auch noch gerne in die Welt vergangener Jahrhunderte mit Giraffenführer, Löwen- und Krokodilbändiger eintaucht, wird von diesem Roman, der zum Ende einige berührende Szenen enthält, begeistert sein.
Der Architekt des Sultans von Elif Shafak
Übersetzung von Michaela Grabinger
Kein & Aber Verlag 2015
Hardcover mit Schutzumschlag
646 Seiten
ISBN 978-3-0369-5715-9