Zwischen Krimi und Groteske – Eine kritische Betrachtung von Wolfgang A. Gogolins „Das Vermächtnis der verlorenen Zeit“

Buchcover des Romans Das Vermächtnis der verlorenen Zeit

Ermittlungen mit Hindernissen

Zum Dank dafür, dass die Inspecteurs Emil Legard und Mathis Durand einen Vergewaltiger und Mörder gefasst haben, erhalten sie von ihrem Chef, Capitaine Luc Morel, dem Leiter der Mordkommission von Paris, einen freien Tag. Doch es gilt, zwei weitere Fälle aufzuklären: eine Wasserleiche und die Ermordung der erst elf Jahre alten Natalie Cassell. Als Legard und Durand die Eltern von Natalie aufsuchen, geraten die beiden Ermittler in einen Streit, der dazu führt, dass Luc Morel ihnen den Fall entzieht und an die Kollegen Magda und Arno übergibt.

Persönliche Abgründe der Ermittler

Während Emil Legard unentwegt von der Bäckereiverkäuferin Marie schwärmt, die er jedoch wegen seiner Schüchternheit nicht anzusprechen wagt, quälen Mathis Durand die Erinnerungen an seine verstorbene Tochter. Diese haben ihn dazu gebracht, die Nächte in der Kanalisation zu verbringen. Aufgrund dieses Verhaltens wurde er von Docteur Gabrielle Murat therapiert – allerdings ohne Erfolg. Luc Morel bittet die Ärztin daher, ihren Patienten abzugeben, woraufhin sie sich bei Piedad, der Leiterin des medizinischen Dienstes, beschwert. Der Capitaine suspendiert Durand vorübergehend von der Arbeit und nennt ihm eine Adresse, bei der er sich Hilfe holen soll.

Ein Krimi mit skurrilen Zügen

Der Roman Das Vermächtnis der verlorenen Zeit* von Wolfgang A. Gogolin beginnt wie ein klassischer Krimi. Doch schnell wird dem Leser klar, dass es sich nicht um einen ernst zu nehmenden Plot handelt, da sämtliche Charaktere auf ihre Weise skurril erscheinen. Emil Legard kennt kein schrecklicheres Wort als „Diät“ und wohnt mit fünfzig Jahren noch bei seiner Mutter. Er träumt nachts von sexuellen Begegnungen mit Marie und jammert wie ein Schuljunge, wenn sie nicht in der Bäckerei anzutreffen ist, weil sie Urlaub hat.

Sein Kollege Mathis Durand legt sich zu den Ratten in die Pariser Unterwelt und nimmt dabei in Kauf, morgens nach Fäkalien stinkend mit der Bahn nach Hause zu fahren, um sich zu duschen. Der Termin, den er auf Anraten seines Chefs wahrnimmt, führt ihn in ein Freudenhaus. Dort wird er von einer alten Dame mit dem „Ave Maria“ empfangen und anschließend von einer nackten Frau auf High Heels bedient. Capitaine Luc Morel ist ein Pflanzenliebhaber und spricht sogar mit seinen Blumen. Mit Piedad führt er ausgiebige Gespräche, bei denen sie erlesene Schokolade zelebrieren und edle Tropfen verköstigen – wichtigere Aufgaben scheint der Leiter der Mordkommission nicht zu haben.

Was will uns der Autor sagen?

Es fällt schwer, eine Antwort auf die Frage zu finden, was sich der Autor bei seinem Werk gedacht hat. Was möchte er dem Leser mit dem Roman Das Vermächtnis der verlorenen Zeit* vermitteln? Ohne Zweifel hat Mathis Durand den viel zu frühen Tod seiner Tochter nicht verarbeitet. Doch muss deshalb so viel wirres Zeug in den Plot eingebaut werden?

Warum streiten sich die Ermittler im Beisein des Ehepaars, das sie befragen sollen, und lassen den Streit so weit eskalieren, dass der Vater einem der beiden beistehen will und dabei selbst zu Boden geht? Oder wie realistisch ist es, dass ein Beamter seine Kollegin „Mädchen“ nennt, woraufhin sie sich echauffiert und fragt, wer hier wohl die „Muschi“ sei? Das sind Szenen, wie man sie aus alten Slapstickfilmen kennt – und sie dienen kaum der Belustigung.

Wenn Wolfgang A. Gogolin ein so tragisches Thema wie den nicht verarbeiteten Tod eines Kindes aufgreifen möchte, sollte er sich auch darauf konzentrieren und den Plot nicht mit lauter schrägen Elementen „bereichern“. Der optisch schlecht aussehende Zeilenumbruch aufgrund fehlender Silbentrennung ist dabei noch das geringste Übel.

Das Vermächtnis der verlorenen Zeit von Wolfgang A. Gogolin

Buchcover des Romans Das Vermächtnis der verlorenen Zeit
Brokatbook Verlag 2018
Broschur
132 Seiten
ISBN 978-1-9807-7809-7

Bildquelle: Brokatbook Verlag

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