Wer bleibt Millionär? von Tino Hemmann

Wer bleibt Millionär?Die Tagesschau meldet die Entführung von sechs hochrangigen, millionenschweren Persönlichkeiten: Aus Hamburg wird der Schauspieler Klaus van Boomerland vermisst, aus München die Vermögende Sigrun Tamelroth, der Bauunternehmer Franz Schneidmann aus Berlin, der Inhaber einer Billig-Ladenkette Theodor Fack aus Stuttgart, der aus Kassel stammende Software-Entwickler Hannes Gartenleitner sowie die Altenring-Gründerin Dr. Carola Blauschner aus Dresden. Rasch wird in Berlin unter der Leitung von Hasso Kohl eine Soko gegründet, zu der die Kommissare Hinrich und Rattner aus Leipzig Verbindung halten sollen, wobei sie von dem nur Ameise genannten Russen Anatolij Sorokin unterstützt werden.

Durch Zufall entdeckt der Schüler Konrad Kupfer die Internetseite „Wer bleibt Millionär?“, die als „genialste Lifeshow aller Zeiten“ angepriesen wird. Wie es heißt, würden sechs Millionäre gegeneinander antreten. Der Sieger darf als einziger nicht nur seine Millionen, sondern auch sein Leben behalten! Konrad glaubt seinen Augen nicht zu trauen, als er in den Kandidaten die Entführten aus der Tagesschau wiedererkennt. Über das Internet verbreitet sich die neue Show in Windeseile und der maskierte Showmaster, der sich nur als Quotenmann vorgestellt hat, präsentiert dem voyeuristischen Publikum pikante Details aus dem Leben seiner Kandidaten.

Die Bundeskanzlerin erklärt die Angelegenheit zur Chefsache und der Innenminister ist ratlos, denn die Internetseite befindet sich auf einem ausländischen Server und es gibt eine Vielzahl von IP-Adressen. Doch Konrad fällt ein schwach erkennbares Graffiti hinter den Kandidaten auf, das er kennt. Als er seinem blinden Freund Fedor, dem Sohn der Ameise, davon erzählt, führen seine Recherchen zu dem vor fünfzehn Jahren verschwundenen Volksmusiker Adam Goliath. Wenn Fedor auch blind ist, so glaubt er sich mittels seines Klicksonars, das er perfekt beherrscht, auf die Suche nach dem Mann machen zu können, der sich hinter dem Quotenmann verbirgt.

Soweit der Roman, dessen Handlung, Kandidaten sogar vor laufender Kamera hinzurichten, zunächst absurd erscheint. Was sich Tino Hemmann allerdings nicht ausgedacht hat, sind die Enthüllungen des dänischen Journalisten Mikkel Keldorf über getötete Straßenkinder in Brasilien vor der Fußball-WM, die er in der Dokumentation „The Price of the World Cup“ auf You-Tube eingestellt hat. Des Weiteren existiert auch der Zusammenschluss von Ärzten „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.“, der in dem Roman erwähnt wird.

Tino Hemmann beginnt den Thriller mit der Vorstellung der einzelnen Entführungsopfer. Dass sie aber gar nicht die eigentlichen Opfer sind, weil sie alle gewaltig „Dreck am Stecken“ haben, wird dem Leser erst im weiteren Handlungsverlauf klar. Bis auf eine Person haben sie sich Steuervergehen, der Beschäftigung von Schwarzarbeitern mit anschließendem Mord, dem Organhandel oder des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht.

Der Autor greift in seinem politischen Thriller, der unser Rechtssystem in ein äußerst schlechtes Licht rückt, unzählige, traurig oder auch wütend machende Themen auf. In fast schon belustigend machender Weise führt er die hilflosen und leicht trotteligen Staatsmänner an, von denen niemand die Verantwortung übernehmen will. Er nimmt die Werbesender aufs Korn und zur Verblödung führende Sendungen, die produziert werden, weil das Publikum danach giert.

Zugegeben, der Thriller ist mit dem Gedankenspiel hart an der Grenze, wenn auch die Show von einem clownhaft auftretenden Quotenmann moderiert wird, der selbst noch den Hinrichtungen die Schärfe nimmt, indem er witzige Reime zum Besten gibt. Gläubige dürften wenig Begeisterung empfinden, wenn sie lesen, dass Gott als „perverses Dreckschwein“ tituliert wird. Aber wer einer ungeschönten Wahrheit in die Augen sehen will, wird am Ende nachdenklich zurückbleiben und sich wünschen, dass es auch einigen real lebenden Personen an den sprichwörtlichen Kragen geht.

Übrigens dürften schon bei der Betrachtung des Covers „Wer bleibt Millionär?“ denjenigen, die auch die Trilogie „Auf Wiedersehen, Bastard!“ von Tino Hemmann kennen, Gemeinsamkeiten auffallen. Damit aber nicht genug: Er wird ebenfalls an „alte Bekannte“ wie den Beamten Rattner und die Ameise mit seinem Sohn Fedor erinnert, der mittlerweile aber nicht mehr neun, sondern sechzehn Jahre alt ist.

Wer bleibt Millionär? von Tino Hemmann

Wer bleibt Millionär?
Engelsdorfer Verlag 2016
Taschenbuch
380 Seiten
ISBN 978-3-96008-241-5

Bildquelle: Engelsdorfer Verlag
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