Der Roman Wo ist Norden* von Barbara Handke ist ein kulturgeschichtlicher Rückblick auf den Mecklenburger Landadel. Der praktische Arzt Konrad und seine Ehefrau Marlene, eine Gymnasiallehrerin, renovieren ein altes Gutshaus in dem abgelegenen Dorf Plenskow. Bei den Arbeiten legen sie ein Wandbild frei. Ihr Plan sieht die Unterbringung seiner Praxisräume vor, und Marlene will ein Café eröffnen. Außer ihren drei Kindern Selma, Laure und Jakob wohnen auch seine Eltern Rita und Pavel bei ihnen. Nikita, der im Universitätsklinikum arbeitet und ein Bruder von Konrad ist, war früher mit Marlene liiert und bedauert noch immer, nicht ihr Ehemann geworden zu sein. Was die Erstgeborene Selma angeht, ist unklar, wessen Tochter sie eigentlich ist.
Endlich kann das Café eröffnet werden, Nikita promoviert mit vierzig Jahren und wird Oberarzt. Das Ehepaar Tile, das häufig in dem Gutshaus zu Gast war, kauft das Nachbargrundstück. Zu Weihnachten kommt die Schwester von Konrad und Nikita aus New York zu Besuch, und nachdem Konrad wegen seiner Trunksucht einen schweren Autounfall hat, droht die Zwangsversteigerung des Gutshauses. Doch es gibt auch Lichtblicke: Ein Familienmitglied freut sich über Nachwuchs, Nikita findet eine Frau und ist entschlossen, eine Familienchronik zu schreiben.
Der größte Teil des Romans bezieht sich auf die Jahre von 1993 bis 2002, während lediglich einige Seiten bis ins Jahr 2003 reichen. Obwohl Barbara Handke ein flüssiger Schreibstil attestiert werden kann, weckt der Plot zu keinem Zeitpunkt das Interesse am Fortgang der Handlung. Alle Jahre wieder findet sich die Familie zum Weihnachtsfest ein, es wird im See gebadet, sie veranstalten einen Maskenball, Nikita versucht vergeblich, das Rauchen aufzugeben, oder es wird von den Zwistigkeiten der Dorfbewohner berichtet. Aber die Geschichte bietet keinen Unterhaltungswert, sie ist weder spannend, noch hält sie Überraschungen für den Leser bereit.
Einzig der kurze Hinweis darauf, dass die ehemaligen Herrenhäuser gutbetuchter Besitzer nach dem Krieg die Richtung Westen strömenden Vertriebenen aufgenommen haben und zu DDR-Zeiten verfallen sind, ist erwähnenswert. Der Roman Wo ist Norden* wird wohl kaum jemanden vom Hocker reißen und wenn er etwas beim Leser zurücklässt, dann Enttäuschung.