Was danach kommt – Roman über Schuld, Trauma und Selbstwahrnehmung

Buchcover von Was danach kommt

Alltag und Unfall: Der Wendepunkt im Leben der Protagonistin

Karmen Anger arbeitet im Kindergarten und lebt seit vier Jahren bei Georg, der ihr ein Zimmer in seiner Wohnung untervermietet hat. Eines Morgens vergisst sie auf dem Weg zum Auto ihre Wasserflasche und kehrt zurück, um sie zu holen. Dabei entsorgt sie auch den Müll. Als sie ins Auto steigt, merkt sie, dass sie bereits spät dran ist, da im Radio die Nachrichten laufen.

Auf dem Weg zum Kindergarten erhält sie einen Anruf ihrer Mutter, die ihr von einem Mamakarzinom einer Bekannten erzählt. In einem unachtsamen Moment prallt Karmen mit dem Auto gegen die vierjährige Alice Mohnberger – das Kind stirbt noch am Unfallort.

Gerichtsdrama und persönliche Zerrissenheit

Karmens Anwalt rät zur Zurückhaltung: Sie solle nur auf Anfrage antworten. Im Falle einer Verurteilung soll die Verteidigungsstrategie die Schuld bei Dritten suchen – etwa einem gewalttätigen Vater.

Karmen wird der Führerschein entzogen. In den Pausen des Prozesses wird sie von Journalist:innen bedrängt. Wenn sie es in ihrem Zimmer nicht aushält, flüchtet sie zu Freunden. Richterin Ekaterina Tsvetok vertagt die Verhandlung mehrmals und ordnet nach der zweiten dreiwöchigen Pause ein psychologisches Gutachten an.

Literarischer Zugang: Rückblenden und Fragmentierung

In ihrem Debütroman Was danach kommt lässt Anika Suck die Protagonistin aus der Ich-Perspektive berichten. Der Fokus liegt weniger auf dem Unfall als auf Karmens Innenleben: Erinnerungen an ihre Menarche bei einer Schulaufführung, Jugendfreund Jean, Freizeit mit Freunden und das Sommerfest im Kindergarten.

Während des laufenden Prozesses schreibt Karmen ihre Telefonnummer an eine Raststätten-Toilettenwand und erhält daraufhin einen mysteriösen Anruf. Sie trifft zufällig Richterin Tsvetok, begegnet ihrem Ex-Freund Julian und nimmt ein ausgiebiges Wannenbad. Der Gutachterin berichtet sie ausführlich von einem Käfer, der in eine Venusfliegenfalle gerät – eine metaphorische Szene, die ihr inneres Gefangensein widerspiegeln könnte.

Prozessverlauf und Verdrängte Missstände

Saskia Mohnberger, die Mutter des verstorbenen Kindes, sagt nicht persönlich aus – ihre schriftliche Einvernahme wird verlesen. Die Kindergartenleiterin wird gehört, überraschend auch Karmens älteste Freundin Anna.

Karmen erfährt, dass Alice oft früh gebracht und spät abgeholt wurde – meist vom Großvater oder Onkel. Ihre körperlichen Auffälligkeiten sowie der schlechte Pflege- und Ernährungszustand, den die Obduktion offenbart, stoßen bei Richterin und Anwalt auf erstaunlich wenig Interesse.

Schutzmechanismen und emotionale Offenbarung

Was Karmen mit dem Ordner, der gepresste Blumen und nicht versendete Postkarten enthält, bezweckt, bleibt unklar. Sie sagt: „Mein Ordner hätte mein Schutzschild sein sollen, nun ist er Beweismaterial, potenziell zu meinem Nachteil.“

Sie wird zunehmend verzweifelter. Sogar das gelegentliche Konsumieren von Cannabis wird ihr angelastet. Gedanken an die Zukunft schleichen sich ein: Wird sie nach dem Gefängnis einen neuen Job finden? Droht ihr Frühpensionierung wegen psychischer Belastung?

Mit dem Satz „Ich lasse mich alles weinen, was mein Körper hergibt“ entblößt sie ihre emotionale Tiefe. Ihre Freunde erscheinen ihr wie „ein Gruselkabinett voller Geister“.

Erzählweise und literarische Intensität

Der Roman enthält nur wenig wörtliche Rede – und diese meist ohne Satzzeichen. Rückblenden gehen nahtlos in gegenwärtige Gespräche über. Tageszeitungsartige Zwischenüberschriften tauchen regelmäßig auf – sie könnten reale Schlagzeilen oder Karmens Vorstellung entspringen.

Schon früh wird klar: Was danach kommt ist keine leichte Lektüre für zwischendurch. Anika Sucks Roman ist ein intensives literarisches Werk, das am Ende mit einer überraschenden Wendung aufwartet, die dem zweimonatigen Prozess in wenigen Sekunden ein unerwartetes Ende bereitet.

Was danach kommt von Anika Suck

Buchcover von Was danach kommt
Verlag Kremayr & Scheriau 2025
Hardcover
248 Seiten
ISBN 978-3-218-01469-4

Bildquelle: Verlag Kremayr & Scheriau

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