Nur Mut, kleiner Liebling von Christian Futscher

Nur Mut, kleiner LieblingIn seinem Roman „Nur Mut, kleiner Liebling“ lässt der Autor Christian Futscher seinen Protagonisten, den 49-jährigen Christian, seinen Gedanken nachhängen. Der Wiener hält sich wiederholt in Venedig auf, immer in der gleichen Wohnung, um an einem neuen Buch zu schreiben. Wenn er nicht daran schreibt oder in einem der vielen Bücher liest, führt er ein Tagebuch und schreibt seine Erinnerungen darin nieder.

Dies können beispielsweise eine zurückliegende Zugfahrt und das sich entwickelnde Gespräch mit einem Kind sein oder auch, wie er in Rom durch das jüdische Ghetto ging. Er träumt davon, kein Geld verdienen zu müssen und hat Mitleid mit Nichtlesern, obwohl er sie deshalb auch nicht missionieren will. Er spricht den Einwirkungen der Erzieher mit dem christlichen „Körper-ist-pfui-Huscher“ eine Langzeitwirkung nicht ab. Und an anderer Stelle fragt er sich, wie es eine Mutter aushalten kann, wenn sie von der Folter ihres Sohnes hört, der lieber in Würde sterben möchte, als ständig erniedrigt zu werden.

Christian prangert in seinen Tagebuchaufzeichnungen den gefluteten Stausee am Reschenpass als Wahnsinn an, als er sich in diesem Zusammenhang an Marlies erinnert, in die er früher verliebt war und die an Drogen gestorben ist. Er spricht von einer öden Kultur, die durch TV-Konsum schon ganz verdattert ist und versteht nicht, wie man ein Leben ohne Literatur aushält. Und er findet es noch nicht einmal verwunderlich, wenn die Beziehungen nach dem dreihundertsten Fernsehabend zum Teufel gehen.

Christian kommen Erinnerungen an einen Zeitungsausschnitt und er stellt die Frage, wie man es überleben kann, wenn man mit ansehen muss, wie Vater und Bruder erschossen wurden. Er ist fassungslos über einen anderen Artikel, wo drei Lehrer tatenlos zusehen, wie ein Junge von einem Kampfhund gebissen und getötet wird. Immer wieder erinnert er sich aber auch seines Vaters, der schon im Alter von 52 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben ist und glaubt, dass er sich mit ihm heute viel besser verstehen würde. Christian hat einen Sohn und seit er selbst Vater ist, meint er, viel öfter traurig zu sein, aber auch öfter viel glücklicher.

Im Roman wird dem Protagonisten Christian in einem Gespräch mit seinem Lektor ein unverwechselbarer Stil mit einem hohen Wiedererkennungswert bescheinigt und das wäre sein Markenzeichen. Genau das kann man auch auf „Nur Mut, kleiner Liebling“ von Christian Futscher übertragen. Seine Schreibweise entspricht keinem 08/15-Stil und ist zunächst sehr gewöhnungsbedürftig. So, wie auch Kunstgegenstände Geschmackssache sind, verhält es sich wohl auch mit dem vorliegenden Werk. Der Autor spielt als studierter Germanist mit Worten und hat sich vieler kritischer Themen angenommen, die er in die Erinnerungen seines Protagonisten einfließen lässt. Es ist sicher auch kein Zufall, dass dieser den gleichen Vornamen wie der Autor selber hat. An einer Stelle des Buches lässt er einfach eine ganze Seite unbeschrieben und füllt sie nur mit Platzhaltern. Dann folgen oft mehrere Seiten mit Fragen, die es allein schon Wert sind, das Buch zu lesen. Denn einige Fragen kann man sich durchaus selber stellen. „Nur Mut, kleiner Liebling“ von Christian Futscher verspricht sicher keine Spannung, denn der Leser wartet ja auf keinen Fortgang der Geschichte, ist nicht neugierig auf einen Ausgang. Aber es regt zum Nachdenken an, und das sollte reichen.

Nur Mut, kleiner Liebling von Christian Futscher

Nur Mut, kleiner Liebling
Czernin Verlag 2011
Hardcover mit Schutzumschlag
264 Seiten
ISBN 978-3-7076-0349-1

Bildquelle: Czernin Verlag
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