Nachtarbeiter von Brian Selfon

NachtarbeiterShecky Keenan hat seinen Neffen Henry Vek mit zehn Jahren zu sich geholt, um ihm ein neues Zuhause zu geben. Über die Jahre hat er den mittlerweile Zweiundzwanzigjährigen für die von ihm praktizierte Geldwäsche mit Steuertricks und Gesetzeslücken vertraut gemacht, so dass auch Henry den „Kunden“ ein nach außen hin legales und regelmäßiges Einkommen verschaffen kann. Shecky hat neben Henry auch Kerasha Brown in sein Haus in Brooklyn geholt, Henrys ein Jahr ältere Cousine, die sechs Jahre im Gefängnis einsaß und nun auf Bewährung entlassen wird. Sie muss regelmäßig zu Dr. Xu, dessen Gutachten darüber entscheiden wird, ob sie weiterhin bei ihrem Onkel Shecky wohnen darf.

Als Henry gegen den Rat seines Onkels Emil Scott, der mit ihm als aufstrebender Künstler die Liebe zur Malerei teilt, für einen Kurierdienst anheuert, wird dieser kurz darauf tot aufgefunden. Schlimm genug, dass der neue Kurier damit ausgeschieden ist, doch viel schlimmer ist, dass die zur Geldwäsche bestimmte Summe verschwunden ist. Es dauert auch nicht lange, da verlangt die nicht zimperliche Nadina Villa Lobos, Lipz genannt, ihren Anteil. Sie bedrängt nicht nur Henry, sondern wendet sich auch direkt an Shecky, weil sie es gewesen wäre, die eine Verbindung zum Heroinhändler Red Dog hergestellt hätte, dessen Schwarzgeld gewaschen werden sollte und das plötzlich nicht mehr aufzufinden ist. Während sich Kerasha unerlaubten Zugang zu ihrer Akte bei Dr. Xu verschafft, um etwas über sein Urteil zu erfahren, sucht Henry nach dem Mord an Emil Zuflucht bei Starr Richardson, seiner Kontaktfrau bei der Polizei.

Brian Selfon erzählt seinen Roman „Nachtarbeiter“, der alle Qualitäten eines Krimis aufweist, in zwei Handlungssträngen. Zum einen geht es um die Machenschaften des Shecky Keenan mit seinem Neffen Henry und dessen Cousine Kerasha. Über diese erfährt der Leser in Rückblicken, dass ihre Mutter drogenabhängig war und Kerasha als kleines Mädchen darunter gelitten hat. Henrys Weg führte nach dem Tod seiner Eltern nicht sofort zu Onkel Shecky. Vielmehr wurde er von einem Onkel zum nächsten abgeschoben und musste zudem ertragen, dass seine Schwester „vergewaltigt und erwürgt und weggeworfen“ wurde. Im zweiten Handlungsstrang wird von Zera berichtet, in Fachkreisen die Geldwäschekönigin genannt. Mit zwölf Jahren wurde sie zur Prostitution gezwungen und kam nur frei, indem sie sich ihre Finger abtrennte. Sie hat danach eine Highschool besucht, einen Abschluss im Strafrecht gemacht und jagt inzwischen mit Hilfe ihres Informanten Emil den Geldwäscher Shecky Keenan.

Der äußerst anspruchsvolle Roman „Nachtarbeiter“ weckt von der ersten bis zur letzten Seite das Interesse des Lesers am Fortgang der nicht chronologisch aufgebauten Handlung. Immer wieder gibt es Rückblicke: Entweder erinnern sich die Handlungspersonen an frühere Stationen ihres Lebens oder Hinweise, ob sich ein Ereignis Tage vor beziehungsweise nach der Ermordung von Emil ereignet haben, ermöglichen dem Leser eine zeitliche Zuordnung. Der Autor versteht zum einen meisterhaft mit Sprache umzugehen, indem er in großem Stil Umschreibungen wie diese benutzt: „bevor das Heroin das Regiment übernahm“ oder „immer schön aufpassen auf das unbezahlbare Gehirn“ im Zusammenhang mit dem Tragen eines Helmes, und zum anderen besitzt er als leitender Ermittlungsanalytiker für den Bezirksstaatsanwalt von Brooklyn, der Fälle von Geldwäsche bis zu Mord ersten Grades bearbeitet, die Kompetenz, ein solch heißes Thema aufzugreifen.

Nachtarbeiter von Brian Selfon

Nachtarbeiter
Übersetzung von Sabine Längsfeld
GOYA Verlag 2022
Hardcover
368 Seiten
ISBN 978-3-8337-4425-9

Bildquelle: GOYA Verlag
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