Sommer 1993: Lady Di, Jurassic Park & deutsche Realität
Das Jahr 1993 steht im Zeichen der weltweiten Faszination für Lady Di und dem Kinoblockbuster Jurassic Park*. Gleichzeitig hält die RAF Deutschland in Atem. Politische und gesellschaftliche Ereignisse prägen auch die Leben der Zwillinge Malte und Frederik Borchers – im Roman Kein Schlaf bis Langenselbold* von Linus Volkmann wird ihre Geschichte mit satirischer Tiefe und popkulturellem Flair erzählt.
Zwei Brüder, zwei Welten
Die 16-jährigen Zwillinge Malte und Frederik besuchen gemeinsam die zwölfte Klasse – könnten charakterlich aber kaum unterschiedlicher sein. Während Malte Alkohol und Zigaretten meidet, lebt Frederik seine pubertären Impulse offen aus. Doch gemeinsam werden sie erst aktiv, als ihre dreadlocktragende Cousine Lumpinchen von zu Hause ausreißt. Heimlich verstecken die Brüder sie in ihrem Zimmer und werden ungeplant zu Verbündeten.
Zwischen Liebe, Pflicht und erster Rebellion
Malte verliebt sich in Sandra, die selbstbewusst die Initiative ergreift. Der Vater der Zwillinge betreibt eine Tankstelle, kämpft jedoch mit gesundheitlichen Problemen und harter Konkurrenz durch „Esso Schäfer“. Als er ins Krankenhaus muss, bleibt die Verantwortung am Betrieb an den Jungen hängen. Frederik zieht sich zurück – und Malte fühlt sich alleingelassen. Eine Schrebergarten-Feier wird für Malte zum ersten alkoholischen Absturz. Parallel dazu spielen beide Brüder Feldhockey beim Schwarz-Weiß Mörfelden und erhalten die Chance zum Probetraining beim SC Frankfurt 1888 – nichtsahnend, wie Coach Hölzkowski über ihre Zukunft entscheiden wird.
Jugendroman mit satirischem Tiefgang
Das Cover von Kein Schlaf bis Langenselbold* erinnert zunächst an ein Kinderbuch. Doch die Illustrationen von Ole Kaleschke passen zum Stil der Geschichte, die vor allem junge Erwachsene anspricht. Die chaotischen Alltagsmomente der Zwillinge sind humorvoll und direkt erzählt – doch Volkmann spart nicht mit kritischen Untertönen.
Gesellschaftskritik hinter Ironie und Illustration
Der Roman thematisiert bedrückende Situationen wie Krankenhausaufenthalte, sexuelle Grenzüberschreitungen und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen – etwa durch den Shell-Konzern in Nigeria. Auch die Zweifel an der offiziellen Version des RAF-Selbstmords von Wolfgang Grams werden aufgegriffen. Linus Volkmann verwebt persönliche, politische und soziale Stränge zu einem literarischen Patchwork – kritisch, komisch und kompromisslos nah an den Figuren.
Kein Schlaf bis Langenselbold von Linus Volkmann
Ventil Verlag 2012
Broschur
224 Seiten
ISBN 978-3-931-55527-6