Märchenhafte Inspiration trifft auf Historie
Jane Nickersons Jugendroman So wie Kupfer und Gold* ist inspiriert vom düsteren Märchen Blaubart*, das ursprünglich 1697 von Charles Perrault verfasst und später von den Brüdern Grimm adaptiert wurde. Nickerson verlegt ihre Version in die Zeit kurz vor dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865), eine Epoche, die durch die Abschaffung der Sklaverei geprägt wurde.
Ein Umzug in eine andere Welt: Sophias Reise nach Mississippi
Nach dem Tod ihres Vaters wird die 17-jährige Sophia unter die Vormundschaft ihres Patenonkels Monsieur Bernard de Cressac gestellt. Im Frühjahr 1855 zieht sie von Boston in das prächtige Anwesen Wyndriven Abbey in Mississippi. Alles ist neu und fremd – ihr wohlhabender Onkel beschäftigt zahlreiche Sklaven, einen chinesischen Butler namens Mr. Ling, die Haushälterin Mrs. Duckworth und die Zofe Odette, die exklusiv für Sophia engagiert wird. Bald trägt sie kostbare Kleider und bezieht ein luxuriöses Zimmer, das einer fantasievollen Unterwasserwelt gleicht.
Fassade und Finsternis: Das Geheimnis des Onkels
Obwohl Monsieur Bernard sich zunächst fürsorglich zeigt, wirkt sein Verhalten zunehmend unheimlich. Er meidet gesellschaftliche Kontakte, verachtet die Südstaatler und lässt seine Sklaven brutal bestrafen. Sophia erfährt von der Fluchthilfe für entflohene Sklaven durch den Prediger Joe, während ihr Onkel Kopfgeldjäger aussendet. Ihr Leben wird streng überwacht – Besuche bei Nachbarn und Kirchgang sind verboten. Erst nach wiederholtem Bitten gewährt der Onkel im Dezember ein Treffen mit ihren Geschwistern Anne, Harry und Junius.
Einziger Lichtblick sind heimliche Treffen mit dem Geistlichen Gideon Stone. Sophia erfährt, dass Monsieur Bernard bereits vier Ehefrauen hatte – Adele, Tatiana, Tara und Victoire –, alle früh verstorben und auffällig rotblondhaarig wie sie selbst. Als er verreist, übergibt er Sophia seine Schlüssel, doch gleichzeitig häufen sich seine unangenehmen Annäherungsversuche, die das Mädchen zutiefst verunsichern.
Erzählkunst mit Tiefgang: Märchen, Geschichte und Gesellschaftskritik
Jane Nickerson entwirft mit So wie Kupfer und Gold* ein atmosphärisch dichtes Epos, das klassische Märchenmotive mit historischen Fakten verwebt. Die Handlung beginnt märchentypisch harmlos, doch Sophias düstere Vorahnungen verdichten sich zunehmend – die Spannung steigt spürbar an.
Empfohlen ab 13 Jahren, bietet der Roman auch Einblicke in die Sklaverei jener Zeit. Leser erfahren, dass versklavte Menschen ausgepeitscht wurden, keine Ehe eingehen durften und wie Vieh gehandelt wurden. Neben der Hauptstory vermittelt Nickerson beiläufig Wissenswertes über die Annonafrucht, die Frauenrechtlerin Amelia Bloomer, das Musikinstrument Sitar sowie das indianische Volk der Choctaw.
Fazit: Ein packendes Südstaatenmärchen mit gesellschaftlicher Botschaft
So wie Kupfer und Gold* ist ein bewegender Jugendroman, der das düstere Märchenerbe von Blaubart* kunstvoll in eine historische Kulisse integriert. Jane Nickersons bildstarke Sprache und der gekonnte Spannungsaufbau machen das Werk zu einer lesenswerten Mischung aus Historienroman, Märchen und Gesellschaftsstudie. Ein mitreißendes Leseerlebnis – meisterlich lektoriert und poetisch erzählt.
So wie Kupfer und Gold von Jane Nickerson
Übersetzung von Ursula Höfker
cbt Verlag 2013
Hardcover mit Schutzumschlag
448 Seiten
ISBN 978-3-570-16268-2