Jüdische Hochzeit von Karl Peter Schwarz

Jüdische HochzeitDie Familie der Journalistin Sarah Schönberger lebt in Haifa und im Ruhrgebiet. Sie ist die deutschstämmige Tochter eines jüdischen Unternehmers und möchte sich kurz vor einem wahrscheinlichen Wahlsieg der Nationalen Partei in Nordrhein-Westfalen durch Recherchen vor Ort ein Bild über die politische Stimmung verschaffen. Die Journalistin befürchtet, dass Bürger mit jüdischen Wurzeln wieder einmal ins Hintertreffen geraten könnten und will ihnen gegebenenfalls eine Ausreise nach Israel nahelegen. Im Wohnquartier Ruhrstadt West, einem Modellprojekt, in dem die durch fortschreitende Automatisierung überflüssig gewordenen Menschen lediglich eine Grundversorgung erhalten und verpflichtet sind, Arbeitsdienste in der Pflege oder anderen Einrichtungen abzuleisten, für die sie Sozialleistungsgutschriften erhalten, recherchiert sie undercover als Mitarbeiterin in einem Sozialkaufhaus.

Bei ihrer Arbeit im Sozialkaufhaus lernt Sarah den Untergrundaktivisten Hans Schaffner kennen. Sie findet den Leiter der Haustechnik attraktiv, seine direkte Art gefällt ihr und sie verliebt sich in ihn. Als ein Drohnenangriff auf das Festzelt der Maifeier mehrere hundert Tote fordert, stehen Muslime und Flüchtlinge unter Tatverdacht. Durch Anschläge und Progrome will die Regierungskoalition unter Führung der Nationalen Partei die Ratifizierung der Gesetzesvorlage zur Ausweisung aller Muslime, Flüchtlinge und Migranten aus EU-Ländern beschleunigen. Die Bewegung Bürgerdemokratie hat Beweise, die eine Verwicklung regierungsnaher Dienste in den Anschlag auf das Festzelt belegen. Als sich die Lage zuspitzt, werden die Dokumente sowie gefährdete Personen nach Haifa ausgeflogen.

Der Roman „Jüdische Hochzeit“ von Karl Peter Schwarz ist in einer nahen Zukunft im Ruhrgebiet angesiedelt, wobei die Stadtteile im Essener Nord-Westen im Mittelpunkt der Handlung stehen. In seinem Plot hat der Autor die sich derzeit abzeichnende gesellschaftliche Entwicklung konsequent weitergedacht und ein dystopisches Bild einer zukünftigen Gesellschaftsordnung gezeichnet, in der mittels digitaler Überwachungssoftware das individuelle Wohlverhalten hunderttausender Bürger kontrolliert wird. Einen Rentenanspruch gibt es nur bei Arbeitsunfähigkeit, und in den Wohnquartieren verpflichten sich die Bewohner zu Arbeitsdiensten. Allerdings sind einige der angesprochenen Themen, wie die Praxis von Immobilienspekulanten, die heruntergekommene Wohnungen zu schicken Appartements sanieren, die sich nur gut situierte Doppelverdiener leisten können, oder Unternehmen, die mit ihren Milliardengewinnen in Steueroasen abwandern, bereits heute Realität.

Der Roman ist nicht gerade eine leicht zu lesende Lektüre, denn allein die enorme Anzahl Fußnoten könnte ein Buch füllen, wodurch der Leser zwar zusätzliche Informationen erhält und Zusammenhänge verdeutlicht werden, der Lesefluss jedoch erheblich beeinträchtigt wird. Einige politische Themen werden wiederholt aufgegriffen und zu langatmig erzählt, so dass der Leser leicht den roten Faden der eigentlichen Handlung verlieren kann, zumal der Roman weder fesselnd noch spannend ist. Doch werden, zum besseren Verständnis, in einem Nachwort noch einmal alle wichtigen Punkte zusammengefasst. Am Ende erklärt der Autor dem Leser quasi sein Werk. Sehr praktisch, doch wer will das schon?

Jüdische Hochzeit von Karl Peter Schwarz

Jüdische Hochzeit
Plöger Verlag 2019
Hardcover
450 Seiten
ISBN 978-3-89857-309-2

Bildquelle: Plöger Verlag
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