Ende in Sicht von Ronja von Rönne

Ende in SichtDie Klassenkameraden der fünfzehnjährigen Juli Pfingsten sind auf dem Weg nach Prag. Während ihre Lehrerin glaubt, dass Juli wegen einer Halsentzündung nicht mitkommt, wähnt ihr alleinerziehender Vater seine Tochter auf Klassenfahrt. Doch das depressive Mädchen ist ihres Lebens überdrüssig geworden und beschließt, von einer Autobahnbrücke zu springen. Zur selben Zeit befindet sich die neunundsechzigjährige Hella Licht mit ihrem alten Passat auf dem Weg in die Schweiz. Dort hat sie nämlich zwei Termine: Der erste gilt dem Schminken und Frisieren, der zweite der in der Schweiz straffreien Sterbehilfe. Auch sie sieht als ehemals gefeierter Popstar keinen Sinn mehr in ihrem Leben, nachdem sie schon lange keinen ihrer Fans mehr zu Gesicht bekommen hat.

Auf der langen Autofahrt kann Hella vor Müdigkeit kaum noch ihre Augen offenhalten, als sie plötzlich auf der Fahrbahn einen Körper entdeckt. Sie bremst, stellt das Fahrzeug auf dem Standstreifen ab und zieht den auf dem Asphalt liegenden Teenager auf den Grünstreifen. Zu allem Unglück stellt Hella fest, dass sie mit ihrem Handy keine Hilfe holen kann, weil der Akku leer ist. Schließlich gelingt es ihr, die Verletzte in ihr Auto zu befördern und sie ins nächste Krankenhaus in Bielefeld zu fahren. Die dort vorgenommenen Untersuchungen ergeben zum Glück nur leichte Verletzungen, die, bis auf eine zu versorgende Schnittwunde an der Wange, von selbst heilen. Zu gerne würde sich Hella im Krankenhaus von der Minderjährigen entfernen, was sich jedoch nicht so einfach gestaltet, da das Personal sie für die Großmutter hält.

Ronja von Rönne beschreibt in ihrem Roman „Ende in Sicht“ die beiden Schicksale von zwei, allein schon vom Alter her völlig unterschiedlicher Personen. Jede sieht auf ihre Weise im Leben keinen Sinn mehr, und während der Weiterfahrt inklusive einiger Zwischenstationen überbieten sie sich mit ihren Lügen. Manchmal nur, indem sie Teile der Wahrheit verschweigen. Beide sind bemüht, den jeweils anderen loszuwerden. Hella, weil sie endlich weiter zu ihrem Ziel in die Schweiz kommen will und Juli, weil sie das Gerede der älteren Frau stört und sie ihre Ruhe haben will. Denn zu Beginn des Aufeinandertreffens ist Hella diejenige, die Fragen stellt, woraufhin Juli zumeist schweigt. Im weiteren Handlungsverlauf wendet sich das Blatt und das clevere Mädchen verlangt nach Antworten.

Die Geschichte macht die mitunter tragischen Folgen deutlich, die sich abzeichnen, wenn ein Mensch sich einsam und nicht mehr gebraucht fühlt. Die noch junge Juli leidet darunter, ihre Mutter seit ihrer Kita-Zeit nicht mehr gesehen zu haben, obwohl sie lange die Hoffnung nicht aufgab, dass diese zu ihr und ihrem Vater zurückkehrt. Hella kann sowohl das schleichende Karriereende, wie auch die Bevorzugung ihrer Schwester durch die Mutter nicht verschmerzen, woraufhin sie sich dem Alkohol zuwandte. Zudem ist sie verarmt und weiß nicht einmal, ob ihr alter Passat es noch bis in die Schweiz schafft. Der wendungsreiche Roman „Ende in Sicht“, der das Interesse des Lesers bis zur letzten Seite aufrechterhält, ist von Ronja von Rönne trotz des ernsten Themas in einer aufmunternden Sprache verfasst.

Ende in Sicht von Ronja von Rönne

Ende in Sicht
dtv 2022
Hardcover
256 Seiten
ISBN 978-3-423-28291-8

Bildquelle: dtv
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