Talberg 1935 von Max Korn

Talberg 1935Mitten in der Nacht fordert der Waldbauer Josef Steiner seine Schwiegertochter Elisabeth auf, ihm auf den Berg zu folgen. Auf dieser höchsten Erhebung über dem Dorf hat ihr Ehemann, Oberstudienrat Wilhelm Steiner, einen Turm errichten lassen, angeblich zu Vermessungszwecken. Doch die Dorfbewohner glaubten eher, er wolle seine Frau von dort hinunterstürzen. Obwohl der reichste Bauer Elisabeth die Erklärung für den nächtlichen Anstieg schuldig bleibt und es obendrein heftig regnet sowie stürmt, folgt sie ihm anstandslos. Am Turm treffen die beiden mit ihrem Vater Albert Wegebauer, seinem Hofknecht Florian Schmidinger sowie Johannes Steiner, ein mit nur einem Arm aus dem Krieg heimgekehrter Sohn des reichsten Bauern Josef Steiner zusammen. Wie sich herausstellt, hat der Knecht Schmidinger unterhalb des Turms die Leiche seines Erbauers, nämlich den Dorflehrer Wilhelm Steiner gefunden.

Polizeimajor Karl Leiner von der Bayerischen Landespolizei soll die Ermittlungen in Talberg aufnehmen, was sich nicht einfach gestaltet, da der heftige Regen mögliche Spuren verwischt hat. Seine Hoffnungen zielen auf das pathologische Ergebnis des Arztes Dr. Weishäupl, denn er glaubt schon allein wegen der Lage des Toten nicht an einen Suizid und geht von Mord aus. Doch wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, den Lehrer zu töten? Einer seiner Brüder, der einarmige und viel zu früh tot geglaubte Johannes oder Michael, der jüngste Bruder? Kann der Major dem Hofknecht trauen, der Schulden bei dem vermögenden Granitsteinbruchbesitzer Ludwig Teufel hat und vorgibt, den Lehrer tot aufgefunden zu haben? Welche Rolle spielt der geistig zurückgebliebene Heinrich Hirscher, der wegen seiner Körperkraft beim Turmbau mitgeholfen hat? Der Fall wird immer komplizierter, als es nicht nur bei diesem einen Toten bleibt.

„Talberg 1935“ ist der erste Teil einer Romantrilogie, die in den Jahren 1977 und 2022 eine Fortsetzung finden wird. Max Korn hat mit Talberg einen fiktiven Handlungsort im Passauer Land gewählt, der aber durchaus „gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Ort Thalberg in der Gemeinde Wegscheid erahnen“ lässt, wie er in einem Nachwort bekennt. Er erzählt die Geschichte wechselweise aus der Perspektive einer seiner Handlungsfiguren, die allesamt ein besonderes Charakteristikum auszeichnet. So wird über den Waldbauer berichtet, dass sich viele vor seiner Brutalität fürchten. Vor dem sadistisch veranlagten Dorflehrer zitterten nicht nur seine Schüler, sondern auch gegen seine Ehefrau Elisabeth hat er sechs Ehejahre lang „Wort und Hand“ erhoben. Sie selbst wird als couragiert und für eine Frau der damaligen Zeit ungewohnt mutig beschrieben, die bereits als Kind gegen die Eltern aufmüpfig war.

Max Korn hat, vom Ende abgesehen, die wörtliche Rede äußerst sparsam verwendet. Rückblicke unterbrechen über längere Strecken das aktuelle Geschehen, was sich jedoch nicht nachteilig auswirkt und der Spannung keinen Abbruch tut. In unverwechselbarem Schreibstil lässt er in die durch den Krieg verursachten und tief in den Menschen schlummernde Trauma blicken, wenn es beispielsweise heißt: „Er hatte nicht nur einen Arm verloren, sondern auch sich selbst.“ Der Autor macht den Neid und die Missgunst deutlich, die jemand verspürt, wenn der eigene Sohn im Krieg gefallen ist, ein gleichaltriger Dorfbewohner jedoch zu seiner Familie zurückkehren konnte, was nicht ohne Auswirkungen auf den Familienfrieden bleiben konnte, der nicht selten auch noch durch Erbstreitereien gestört wurde. Der höchst intelligent aufgebaute und zunehmend spannend werdende Roman „Talberg 1935“ ist ein Lesegenuss erster Güte!

Talberg 1935 von Max Korn

Talberg 1935
Heyne Verlag 2021
Klappenbroschur
400 Seiten
ISBN 978-3-453-42459-3

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Bildquelle: Heyne Verlag


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