Die elfjährige Merle und ihr drei Jahre jüngerer Bruder Moritz wohnen mit ihrer alleinerziehenden Mutter im Hasenweg. Als ihr Vater noch bei ihnen lebte, hat er ihnen „Geschichten aus der Murkelei“ erzählt und ihnen einen Weltempfänger geschenkt. Abends lauschen die Kinder heimlich seinen Worten, wenn er auf Sendung geht. Weil ihre Mutter in der Klinik für den Nachtdienst eingeteilt ist, sucht sie für Merle und Moritz eine Nachtfrau. Doch Mutters Wahl fällt ausgerechnet auf Gesine Wolkenstein, die Besitzerin des schwarzen Ladens, der nachgesagt wird, dass sie Kinder verschluckt. Merle und Moritz zeigen sich bei ihrem Besuch wenig begeistert, aber immerhin bekommen beide von ihr eine Eisvogelfeder.
Nachdem Gesine Wolkenstein die Kinder eines Abends ins Bett gebracht hat, wacht Merle plötzlich auf und auch Moritz kann nicht schlafen. Die Zimmertür sieht ganz anders aus, ist nicht mehr weiß, sondern schwarz und trägt die Aufschrift „Murkelei“. Neugierig treten die Geschwister ein und begegnen Spitzzahntrollen, die sie zum Schokolade-Essen verführen wollen, damit sie ebenfalls zu Spitzzahntrollen werden. Unglücklicherweise verlieren sie den Weltempfänger. Am nächsten Tag wundern sie sich darüber, wieso Gesine Wolkenstein von den Geheimnissen weiß, die sie nur mit ihrem Papa geteilt haben. Weil die Kinder den Weltempfänger unbedingt wiederhaben wollen, gehen sie nochmals durch die schwarze Tür, wo sie dem Fuchs „Silberträne“ begegnen. Richtig gefährlich wird es bei den giftigen Malteserspinnen, doch die Eisvogelfedern sind ihre Rettung.
Jutta Richter kennt seit ihrer Kindheit die „Geschichten aus der Murkelei“ von Hans Fallada, die bereits 1938 in einer Erstausgabe veröffentlicht wurden und die sie offensichtlich zu dem Kinderbuch „Frau Wolle und der Duft von Schokolade“ inspiriert haben. Sie zitiert darin den Ausspruch „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“ von Friedrich von Logau, der Merle und Moritz ein Rätsel aufgibt, außerdem einen Vers aus dem Theaterstück „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht. Nichts verrät den jungen Lesern, die in etwa das Alter der beiden jungen Protagonisten haben sollten, warum der Vater nicht mehr bei ihnen wohnt. Es kann vermutet werden, dass sich die Eltern getrennt haben oder der Vater längere Zeit im Ausland ist, da sie seine Radiosendung über einen Weltempfänger empfangen können.
Jutta Richter lässt in ihrem Kinderbuch „Frau Wolle und der Duft von Schokolade“ die kleine Merle in der Ich-Form berichten. Die Nachtfrau scheint Gedanken lesen zu können, kennt Dinge, die sie eigentlich gar nicht kennen kann und wechselt ihre Augenfarbe, was besonders Merle auffällt und ihr einen Schreck einjagt. Es ist eine Märchenwelt, in die Merle und Moritz eintauchen, denn dort gibt es bösartige und hinterhältige Spitzzahntrolle, und auf der anderen Seite als Gegengewicht zum Bösen einen Fuchs, der das Gute repräsentiert. Die spannende Geschichte ist in einer Fantasiewelt angesiedelt, die Kinder seit jeher begeistert haben. Sie identifizieren sich mühelos mit den noch kindlichen Handlungspersonen und bangen mit ihnen, bis endlich das Gute über das Böse siegt. Eine schöne Ergänzung zu den Abenteuern sind die farbigen Illustrationen von Günter Mattei, die besonders bei den im realen Leben nichtexistierenden Spitzzahntrollen ein echter Hingucker sind.
Frau Wolle und der Duft von Schokolade von Jutta Richter
Carl Hanser Verlag 2018
Hardcover
144 Seiten
ISBN 978-3-446-26052-8