Die rote Frau von Alex Beer

Die rote FrauIm Nachkriegsalltag des Jahres 1920 wird Wien von bitterer Armut und politischen Unruhen geprägt. Während die Kriminalbeamten der Abteilung „Leib und Leben“ den spektakulären Mord an dem allseits beliebten Stadtrat Richard Fürst untersuchen, müssen der kriegsversehrte Inspektor August Emmerich, der von seinen Kollegen als Krüppel belächelt wird, und sein Assistent Ferdinand Winter, der seit einem schweren Unfall den linken Arm nicht mehr belasten darf, langweilige Schreibarbeiten erledigen. Nachdem Emmerich und sein Assistent für ihren Vorgesetzten Oberinspektor Gonska einen abstrusen Fall, in dem angeblich die Dreharbeiten zu einem neuen Film mit einem Fluch belegt wurden, zu dessen Zufriedenheit erledigt haben, erlaubt er ihnen im Fall Richard Fürst verdeckte Ermittlungen anzustellen, obwohl die Kollegen inzwischen einen Tatverdächtigen verhaftet haben. Emmerich ist sicher, dass der Kriegsveteran Josef Navratil nicht der Mörder des Stadtrats sein kann, doch ihm bleiben nur zweiundsiebzig Stunden Zeit, den Mordfall aufzuklären.

Der Plot des Kriminalromans „Die rote Frau“ lebt von der Ermittlungsarbeit seines missmutigen Protagonisten, der dem Leser realistische Einblicke in das Milieu der damaligen Zeit ermöglicht, wobei er ihn an Orte führt, die im Wien der 1920er Jahre tatsächlich existiert haben. August Emmerich, der in einem Waisenhaus aufgewachsen ist, lebt selber am unteren Rand der Gesellschaft. Seine Kriegsverletzung und die Trennung von seiner geliebten Luise machen ihm zu schaffen. Seitdem er sie verlassen musste, lebt er in einem Männerwohnheim in der Meldemannstraße. Bei seinen Kollegen und Vorgesetzten findet er nur wenig Akzeptanz. Er ist für sie ein Krüppel, dem es als Polizeiagent gelungen ist, zufällig einen spektakulären Fall zu lösen, und der nur durch Protektion zum Inspektor in die Abteilung „Leib und Leben“ aufgestiegen ist. Bei all seinen persönlichen Problemen ist es um so erstaunlicher, mit welcher Vehemenz er versucht, die Unschuld eines Kriegsveteranen zu beweisen, wobei sich die Ermittlungen als äußerst schwierig erweisen und er unter enormem Zeitdruck steht.

„Die rote Frau“ ist der zweite Teil einer historischen Krimireihe von Alex Beer, die im Wien der 1920er Jahre angesiedelt ist, wo Hunger, Elend und Wohnungsnot allgegenwärtig sind. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, das Wien der Nachkriegsjahre noch einmal lebendig werden zu lassen. Es gibt Engpässe in der Versorgungslage und um Strom zu sparen, ist in den Lokalen abends nach acht Uhr nur Karbidbeleuchtung erlaubt. Straßenbahnen fahren nur sehr unregelmäßig und sie stellen spätestens um halb zehn am Abend den Verkehr ein. Die abgemagerten, hungernden Notleidenden und Kriegsveteranen in zerlumpter Kleidung stehen für ein Schälchen Brühe vor den Suppenküchen an. Der vorherrschenden Armut und bitteren Not stehen ein ausschweifendes Nachtleben und eine boomende Filmindustrie gegenüber. Seit Kriegsende sind Monarchie und Adel abgeschafft, doch die ungefestigte Republik wird durch ideologische Gegensätze bedroht. In diesem historischen Kontext hat Alex Beer die Theorie, im Interesse der Volksgesundheit die Minderwertigen auszusieben, thematisiert und in eine spannende Handlung verpackt. Ein lesenswerter, historischer Kriminalroman, dessen Brisanz durch nach Europa kommende traumatisierte Kriegsflüchtlinge und nationalistische Tendenzen an Aktualität gewinnt.

Die rote Frau von Alex Beer

Die rote Frau
Limes Verlag 2018
Hardcover mit Schutzumschlag
416 Seiten
ISBN 978-3-8090-2676-1

Bildquelle: Limes Verlag
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